Kasey Michaels
hatte sie den Duke of
Malvern als eigene Person gesehen, den Mann, der nicht mehr vom Geist Captain
Fitzgeralds überschattet wurde.
Und sie
hatte begonnen, wirklichkeitsfremde Träume zu spinnen. Den Gedanken an Jasmine
Harburton hatte sie bewusst ausgeblendet, besonders, nachdem Nicole darauf
hingewiesen hatte, dass ein Mann, der kurz vor seiner Verlobung stand, nicht so
viel Zeit darauf verwenden würde als ständiger Begleiter einer anderen junge
Frau aufzutreten, mit ihr Museen zu besichtigen und sie auf Bälle zu führen.
Nun
verstand sie Tanners Dilemma. Seine Zögerlichkeit rührte von seinem Ehrgefühl
her.
„Oh, schau,
die Musiker kommen zurück“, rief Jasmine in diesem Moment und zeigte mit
ihrem Fächer zu der kleine Bühne. „Ich bin für den nächsten Tanz einem Mr
Rupert Carstairs verpflichtet. Ich finde ihn ziemlich hässlich, aber ich war
so verwundert, dass sich überhaupt so viele Herren um mich bemühen, und so
konnte ich ihm wohl kaum absagen. Wer ist dein Partner?“
Lydia riss
sich aus ihren Gedanken und schlug ihre Karte auf. Wilder. „Der Baron.
Oje, und ich glaube, es ist ein Schottischer Reigen. Ich hasse den, aber nur,
weil ich mir einfach nicht die Schritte merken kann.“
Als die
Paare langsam aufs Tanzparkett strömten, schaute Jasmine sich suchend um.
„Siehst du den Baron? Ich entdecke ihn nicht. Aber da kommt Mr Carstairs. Ein
Jammer, dass er überhaupt kein Kinn hat, findest du nicht auch? Pfui, das
sollte ich nicht sagen. Niemand außer Tanner tanzt mit mir, weil sie alle zu
glauben scheinen, ich wäre weg vom Heiratsmarkt. Ohne Titel oder große Mitgift
bin ich doch nur gut dafür, die Wand zu zieren. Ah, da ist Tanner, aber der
Baron ist nicht bei ihm.“
Lydia
schaute auf und sah sofort, dass Tanner sehr ernst wirkte. Und, oh, so
unglaublich gut sah er aus! Nein, das sollte sie erst gar nicht denken!
„Ladys!“
Er verneigte sich vor ihnen beiden, wobei sein Blick auf Jasmine einen Moment
irgendwie ... abschätzend haften blieb. „Lady Lydia, der Baron lässt sich
entschuldigen; es tut ihm zutiefst leid, doch es ergab sich für ihn die
Notwendigkeit, zu gehen, ehe er den Tanz mit Ihnen antreten konnte, deshalb
biete ich mich an seiner Statt an. Jasmine, wo ist Mrs Shandy? Wir können dich
nicht allein hier sitzen lassen.“
„Oh!“
Jasmine schaute neben sich, so als hätte sie eben erst bemerkt, dass die
Anstandsdame fehlte. „Sie wollte, glaube ich, schauen, ob noch von dem
köstlichen Eis etwas da ist. Aber kein Sorge, Tanner, mein Partner steht direkt
hinter dir.“ Sie winkte dem großen, dünnen, kinnlosen Mann zu. „Hallo, Mr
Carstairs, da sind Sie ja wieder!“
„Sie ist
ein solches Kind“, meinte Tanner, während er Lydia bei der Hand nahm und
ihr vom Stuhl aufhalf. „Wie kommt ihr beide zurecht? Hat sie dich noch nicht
taub geredet?“
„Sie ist
eine nette Begleitung, Tanner. Ich glaube, ich habe Nicole heute Abend noch
nicht einen Moment vermisst – obwohl ich gern ihre Meinung über Ihre Cousine
hören würde. Und wir wurden zu jedem Tanz aufgefordert.“
„Würden Sie
dann gern auf dem Balkon ein wenig frische Luft schnappen, anstatt schon wieder
zu tanzen? Soweit ich mich erinnere, mögen Sie den schottischen Reigen nicht
besonders.“ Er legte ihre Hand in seine Armbeuge.
„Ich
erinnere mich nicht, Ihnen je von meiner Abneigung erzählt zu haben.“
„Das
nicht“, gab er zu, während er sie an der Tanzfläche vorbei zu den offenen
Fenstertüren führte.
Lydia
glaubte, schon einen angenehm kühlen Luftzug zu spüren. „Aber Sie haben es
bemerkt. Ist dem Baron unwohl geworden?“
Tanner trat
ins Freie, half Lydia über die erhöhte Schwelle und führte sie den Balkon
entlang. „Gewissermaßen. Ein unerwarteter Anflug von Gewissensbissen,
Weitere Kostenlose Bücher