Kasey Michaels
ausbreitend, ihr gegenüber auf dem zweiten Sofa Platz nahm.
Lydia
keuchte kaum merklich auf. „Sie haben sein Gesicht gesehen?“
„Das was
trotz des Pflaster noch zu sehen war. Dieser Zusammenstoß mit der Türkante
muss ja ziemlich heftig gewesen sein.“
Ernst
nickte sie. Während Tanner sie am vorigen Abend heimbrachte, hatten sie beide
sich eine plausible Erklärung für die Verletzung ausgedacht. „Wissen Sie,
gerade als wir den Balkon betreten wollten, erfasste ein plötzlicher Windstoß
die Tür, und ehe Tanner reagieren konnte, prallte sie ihm gegen die
Wange.“ So. Das hörte sich doch ganz gut an, oder? Vielleicht fiel einem
Schwindeln mit jedem Mal leichter?
„Peitschte
ihn förmlich, hat Tanner gesagt“, meinte der Baron, den Blick seiner
grünen Augen fest auf sie gerichtet. Nicht einmal ein Wimpernzucken verriet,
was er dachte.
Nun,
möglicherweise kannte er die Wahrheit – oder doch nicht? Er kannte sie! Nicht
umsonst hatte er „peitschte“ gesagt. Aber sie würde ihm die Genugtuung
nicht gönnen. „Äh ... ja, so könnte es sich angefühlt haben. Sie sagten, Sie
wünschen mit Rafe zu sprechen?“
Justin
schlug seine elegant gewandeten Beine übereinander. „Ja, genau. Es ist nur
höflich, mich zur Inspektion vorzustellen, da ich ja während der nächsten Woche
Ihre entzückende Gesellschaft genießen werde. Letztendlich weiß man nie, ob
man nicht vielleicht die Billigung einer höheren Instanz brauchen könnte.“
„Also, das
ist nicht witzig! “, platzte Lydia heraus, als sie sah, wie Justin
lächelte und aus diesen grünen Augen jäh teuflische kleine Funken blitzten.
„Sie sagen das nur, um mich zu verwirren. Bei Miss Harburton hätten Sie damit
mehr Erfolg.“
„Ah, aber
das wäre keine Herausforderung. Ich möchte viel lieber Sie necken. Und nun,
auch wenn ich mich der Wiederholung schuldig mache, sagen Sie bitte, empfängt
Ihr Bruder heute Besuch?“
„Ich bin
sicher, einer der Lakaien hat ihn schon von Ihrem Wunsch in Kenntnis
gesetzt“, entgegnete sie förmlich, verdarb den Eindruck aber dann, als sie
sich unwillkürlich vorbeugte und fragte: „Sie necken mich nur, nicht wahr? Sie
sagten doch, dass Sie mich necken.“
„Ob man mir
glauben kann, meinen Sie also, Lady Lydia?“
„Nennen Sie
mich ruhig Lydia, da wir in Kürze so oft unsere gegenseitige Gesellschaft
genießen werden, wie Sie ja schon zu sagen geruhten. Aber wenn wir uns Freunde
nennen sollen, müssen Sie meine Frage beantworten.“
„Und werden
Sie mir bitte die Ehre geben, mich Justin zu nennen? Und ja, ich habe wirklich
nur gespaßt. Ich sage sehr oft etwas, nur um jemandem eine Antwort zu
entlocken, die mich amüsiert. Eine Schwäche meinerseits. Allerdings spaße ich
nicht immer. Das Problem, wenn Sie es denn als solches sehen wollen, liegt
darin, zu entscheiden, wann ich spaße und wann ich es ... todernst meine.“
„Ist es
auch für Sie selbst ein Problem? Ich meine, zu wissen, ob Sie gerade
herumalbern oder meinen, was Sie sagen?“, fragte Lydia. Ihr rann das Blut
plötzlich rascher durch die Adern. Eins stand fest, in seiner Gegenwart fühlte
sie sich tatsächlich viel lebendiger. Aber sich spielerisch auf dem
vielstufigen Niveau des Barons zu bewegen, mochte äußerst ermüdend sein. In
seiner Gegenwart hatte sie das Gefühl, in ihrer Wachsamkeit nie ganz nachlassen
zu können.
Jetzt
schaute er sie so eindringlich an, dass sie fast glaubte, sie müsse irgendwo im
Gesicht einen Tintenfleck haben.
Wieder fiel
ihr Nicole ein. Ihre Schwester würde den Baron zu nehmen wissen. Nicht nur
würde sie seinem Blick, ohne auch nur zu blinzeln, standhalten, sondern ihn
noch dazu aus der Fassung bringen.
Aber sie
war nicht Nicole. Lydia sah auf ihre fest verschränkten
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