Kasey Michaels
Gesicht musternd, wobei sein Blick sich
jäh verdüsterte; doch dann lächelte er. „Das ist wohl etwas, wonach zu trachten
es sich lohnt.“ Er nahm die Zügel auf, die um die Wagenbremse gewickelt
waren. „Die Pferde sind noch sehr frisch, deshalb würde ich gern ein, zweimal
den Platz umrunden, bis sie ruhiger sind. Bereit?“
Sie
klammerte sich an den Haltering neben dem Sitz. Jener flüchtig wahrgenommene
Ausdruck in Tanners Augen hatte genügt, um ihr bewusst zu machen, dass sie
Gefahr lief, das Gleichgewicht zu verlieren – und nicht wegen der unruhigen
Pferde. „Bereit“, antwortet sie.
8. Kapitel
a nner wusste, dass er gerade keine besonders
gute Figur gemacht hatte, war sich aber unsicher, aus welchen Beweggründen
heraus er seinen Freund Justin mit solchem Eifer den Wölfen zum Fraß
vorgeworfen hatte.
Natürlich
konnte er sich sagen, dass er nur Lydia beschützen wollte, und mochte sich
damit beruhigen, dass Justin nun einmal nie ernst war, gern flirtete und
Herzen zu brechen quasi, als eine Art Berufung ansah.
Nur glaubte
er es sich selbst nicht. Mit der Schwester eines Freundes, dem Freund eines
Freundes würde Justin keine Spielchen treiben.
Warum also
hatte er vor ihm gewarnt? War er seiner so wenig sicher, wenn es um Lydia ging?
Nun, eben
das war es. Er war nicht so dumm, zu glauben, es genüge ein Wink mit dem Finger
und die begehrte Frau käme gesprungen, obwohl er, seit er den Titel geerbt
hatte, mit Einladungen hoffnungsvoller Mütter und habgieriger Väter überschüttet
wurde, insofern hatte seine vermeintlich anstehende Verlobung mit Jasmine auch
ihr Gutes.
Aber nun
war da Justin, dem die Frauen schon nachgelaufen waren, als er noch die
Schulbank drückte, und keine interessierte es je, dass er wild und unbeständig
war und ihr das Herz brechen würde.
Möglicherweise
war das sogar seine hauptsächliche Anziehungskraft, zumindest vielleicht für
die Art Frauen, die Justin vorzuziehen schien. Tanner konnte sich nicht
erinnern, dass sein Freund je eine Frau wie Lydia ernsthaft umworben hätte. Von
klugen Frauen hielt er sich fern.
Vielleicht
war er ja bezaubert? Verhext? Ein schmelzendes Lächeln, eine schlagfertige
Äußerung über Moliěre hatte vielleicht genügt, Justin von seiner
Verachtung für die Weiblichkeit – außer sie war schön, hohlköpfig und ... und
...nun, fügsam – zu kurieren.
Jäh biss
Tanner die Zähne zusammen. Lydia war nicht fügsam. Lydia war eine Dame. Und
wenn Justin das während ihrer Zeit auf Malvern vergessen sollte, würde er ihn
mit Wonne sehr handgreiflich darauf hinweisen. Auch gern mehrmals.
„Wie geht
es Ihrer Wange?“
Aufgeschreckt
drehte Tanner sich Lydia zu, erst jetzt merkte er, dass er, seit sie
losgefahren waren, nichts mehr gesagt hatte, möglicherweise gewirkt hatte, als
schmollte er. Wenn das nicht eine tolle Methode war, sie zu beeindrucken! Sehr
aufrecht und brav saß sie neben ihm, die Hände im Schoß gefaltet, als wäre sie
es zufrieden, zu warten, bis er zu einem Gespräch bereit war. Und wieso wusste sie, dass er eine kleine Weile stummen Nachdenkens gebraucht hatte? Aber
das war eben Lydia. Sie schien so etwas zu spüren. Kannte sie ihn so gut, oder
war er so leicht zu durchschauen?
Nein, wohl
nicht, sonst wäre ihr längst klar, wie sehr er sich danach sehnte, sie ... sie
in seinem Bett zu haben, aus ihrem Traum zu wecken und das Feuer zu schüren,
das, wie er glaubte, tief in ihr glomm.
Hastig
sagte er: „Ja, danke, viel besser. Ich habe dieses dicke Pflaster nur
zugelassen, um die Kinder auf der Straße nicht zu erschrecken.“
„Also ist
es nicht nur ein Kratzer, wie Sie mir gestern weismachen wollten?“
„Nein, aber
der Arzt, den mein Butler gegen meinen Willen rief, versicherte, dass ich
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