Kasey Michaels
wohl
nicht mehr als eine sehr harmlose Narbe zurückbehalten werde. Und für die
sollte ich dankbar sein, da sie mich immer daran erinnern wird, mich niemandem
überlegen zu fühlen, nicht einmal einem bezechten Trottel, der sich kaum auf
den Beinen halten kann. Es wird mir nicht noch einmal passieren.“
„Ein kluger
Vorsatz. Aber das ist nicht Ihre erste Verletzung. Ich erinnere mich an eine
frühere Verwundung. Als Sie uns damals
aufsuchten, um uns die Nachricht vom Tod des Captains zu bringen, kamen Sie
direkt vom Schlachtfeld zu uns. Ihre Uniform hatte Risse, und Sie
humpelten.“
Ganz
freiwillig sprach sie von jenem Tag? Aber es stimmte. Er hatte sich unmittelbar
nach der Schlacht von Wellington persönlich beurlauben lassen und sich auf dem
allerkürzesten Weg nach London begeben. Bei seiner Ankunft sah er aus wie aus
der Hölle entsprungen, war sich aber wenigsten sicher, dass er Rafe und Lydia
die Nachricht überbringen konnte, ehe Fitz' Name in der offiziellen Liste der
Gefallenen erschien.
Nun verbarg
er sein Erstaunen über Lydias Worte, indem er knapp erzählte, wie er zu der
Verwundung gekommen war.
„Ein
Nahkampf mit einem französischen Infanteristen; der erwischte mich mit dem
Bajonett, als wir ihre Frontreihen durchstießen. Ich bekam aber nur einen
Schnitt ab, mein Pferd wurde schlimmer verletzt und brach unter mir zusammen.
Und so steckte ich plötzlich mitten im Getümmel. Zum Glück trat Bonaparte in
genau diesem Moment den Rückzug an, und damit war der Sieg unser, denn die Nachricht
verbreitete sich rasend schnell unter seinen Truppen, die sofort ihre Waffen
niederlegten. Soldaten kämpfen, bis man ihnen befiehlt aufzuhören – oder bis
ihr General sie im Stich lässt!“
„Warum ist
er dann überhaupt noch einmal zum Kampf angetreten?“, fragte Lydia
empört.
„Vielleicht
dachte er, es bedürfe nur einer entscheidenden Schlacht und eines wundersamen
Sieges, und wenn nicht Sieg, so doch ein ruhmvoller Tod.“
Lydias
Wangen brannten. Sie war sichtlich wütend. „Und alles für nichts und wieder nichts.
Was ist denn am Tod erhebend? Gleich, wen es trifft? Wer alles musste für
Bonapartes Ruhm sterben?“
Da war es
wieder; selbst wenn er mit Lydia allein war, waren sie nie allein. Fitz' Geist
saß zwischen ihnen auf dem Kutschbock.
Da sich vor
ihnen in der Regent Street die Fahrzeuge stauten, zog Tanner die Zügel an.
„Lydia, wir mussten Bonaparte besiegen. Wir müssen glauben dürfen, dass die,
die starben, ihr Leben nicht sinnlos opferten, dass sie für das Gemeinwohl
kämpfen, für den Frieden.“
Den Blick
gesenkt, glättete sie das weiche Handschuhleder über ihren Fingern. „Meinen
Sie, Cäsars Legionen hätten das gedacht, als sie auszogen, um zu sterben. Oder
all die anderen Soldaten der großen Feldherren? Ist nicht jeder Krieg der
letzte, ewigen Frieden bringende? Glaubten all diese Feldherren, sie hätten die
eine richtige Lösung?“
„Ja, Lydia,
ganz sicher. Was ist mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht gut?“
„Ah, tut
mir leid. Es ist nichts.“ Dann seufzte sie. „Nein, das stimmt nicht. Es
ist doch etwas. In der letzten Zeit habe ich oft an jene Schlacht gedacht. Es
ist fast ein Jahr her; Tanner, fast ein Jahr, und ich versuche immer noch, den
Sinn darin zu finden, einen Grund für das Geschehene. Und es geht mir nicht
nur um den Captain, sondern um alle irgendwie in den Krieg verwickelte
Menschen.“
„Alle
Menschen?“, fragte er unsicher.
„Ja, da
sind natürlich die Soldaten, aber auch die, die daheimgeblieben waren und die
darum rangen, zu verstehen, warum all das Sterben so ... so verdammt notwenig
war.“
Verdammt? Lydia sagte verdammt? Nun, er hatte ihr Feuer sehen wollen, nicht wahr?
Ein
umgestürzter Lastkarren hielt den Verkehr auf,
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