Kasey Michaels
also zog Tanner die Bremse an
und nutzte die Gelegenheit, nicht auf den Verkehr achten zu müssen. Ohne sich
um das Rufen und Schimpfen ringsum zu kümmern, legte er seine Hand auf Lydias
und drückte sie leicht. „Sie sind zornig, nicht wahr?“ Nun, es war nicht
zu übersehen.
„Darf ich
das nicht sein? Ach, ich weiß nicht, was ich sage! Das ist mir alles ganz
ungewollt herausgerutscht. Es tut mir leid.“
An ihren
Wimpern hingen Tränen, die sie schnell fortzublinzeln versuchte. Es schmerzte
Tanner, als hätte man auch ihm wehgetan. Sie litt, quälte sich mit einem
inneren Konflikt, und wie es aussah, schon seit Langem. Doch solange sie nicht
mit ihm darüber sprach, konnte er ihr nicht helfen.
„Entschuldigen
Sie sich nicht, Lydia. In jener Schlacht haben Sie Fitz verloren. Sie haben
jedes Recht, solche Fragen zu stellen.“ Tanner spürte, dass sie sich ihm
endlich anvertrauen wollte, und wenn sie auch hier auf dem Präsentierteller
saßen, sodass er sie nicht einmal in den Arm nehmen, trösten konnte, er wollte
verdammt sein, wenn er die Gelegenheit verpasste. Er wusste nicht, was er
gesagt hatte, um plötzlich dieses Vertrauen zu genießen, doch wenn er sie nun
nicht reden ließ, würde es vermutlich bis in alle Ewigkeit dauern, ehe sie das
Thema wieder aufzubringen wagte. Das konnte er nicht riskieren. Wenn sie litt,
litt auch er. Ob sie das verstand? Konnte sie es denn nicht sehen? Himmel, wahrscheinlich
nicht. Und warum sollte sie überhaupt? Er war nur Tanner, der vertraute Freund
der Familie.
Daher
formulierte er seine Worte sehr behutsam. „Vielleicht kann ich irgendwie helfen
– wenn Sie möchten?“
Als sie den
Blick hob, glänzten immer noch Tränen in ihren Augen. „Ja, es könnte sein, denn
alleine ist es mir bisher nicht so recht gelungen. Sehen Sie, ich kann
verstehen, wenn ein Mann glaubt, er sei vom Schicksal für Großes erwählt. Nicht
verstehen kann ich, dass dann viele, viele andere freiwillig ihr Leben in seine
Hände geben und für seine Träume zu sterben bereit sind. Frauen würden nie so
handeln. Frauen sorgen für ihre Lieben, verteidigen sie. Nur Männer verlassen
ihre Frauen, ihre Kinder, um hinauszuziehen und für die Visionen eines Fremden
zu kämpfen. Warum? Warum tun Männer das immer und immer wieder?“
Welch ein
merkwürdiges Gespräch! Ob Lydia seit Langem schon darum kämpfte, sich damit zu
versöhnen, dass Fitz' Tod ein in ihren Augen unnützes Opfer war? „Wir hatten
keine Wahl, Lydia. Bonaparte hatte ...“
„Ja,
Bonaparte, ich weiß!“, unterbrach sie ihn hastig und sehr hitzig und
wischte sich nun ganz offen über die feuchten Wangen. „Und wenn nicht er, dann
eben ein anderer, wie einst Alexander und Cäsar und wer sonst noch. Ich
verstehe nur nicht, warum! Was, wenn niemand dem Ruf gefolgt wäre? Was, wenn
Bonaparte verkündet hätte, er wollte im Namen Frankreichs die Welt erobern, und
niemand hätte gesagt, großartig, gute Idee, wir helfen mit?“ Sie rang nach
Luft und seufzte dann. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ihr Spaß daran
habt“, fuhr sie fort. „All diese Insignien der Macht, das heidnische
Schauspiel, die feinen Uniformen, die Waffen, die Kanonen ... vielleicht sogar
das Töten. Ich denke, es gefällt euch.“
Und möglicherweise
hast du recht, Lydia. Nur rechnen wir nicht damit, getötet zu werden, dachte
er. Er sagte es nicht, denn sie würde dieses unlogische Denken für verrückt
halten. Natürlich liebten Männer den Krieg. Manche lebten dafür, für den Sieg,
für mehr Macht, immer gierig nach neuen Siegen und noch mehr Macht. Und
gemeinsam hatten all die von ihr genannten Feldherren, dass sie unersättlich
waren. Und das würde sich vermutlich nie ändern.
„Lydia, wir
kämpfen für unser Land, für unsere Frauen und Kinder, unsere Zukunft.
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