Kasey Michaels
Geschäft,
plapperte ohne Unterbrechung, bis sie sich vorkam wie Jasmine Harburton und
hastig den Mund schloss.
„Nein,
Sarah, das nicht“, wandte Charlotte sich in diesem Moment an die Zofe, die
ein graues, schon etwas schäbiges Morgenkleid einpacken wollte. „Ich glaube,
das kann endlich entsorgt werden.“
„Aber ich
trage es so gern“, protestierte Lydia.
„Ja, ich
weiß, und auf dem Land ist es gerade richtig – falls du Unkraut jäten oder die
Hühner füttern möchtest.“
Trotzig
erwiderte Lydia: „Dann ist es gerade richtig zum Wandern!“
„Nein,
nicht einmal dafür. Bist du denn überhaupt nicht romantisch? Der Mann will dir
seine Heimat zeigen, ihr beide werdet
allein unterwegs sein. Er hat dir dafür erstaunlicherweise sogar die passenden
Schuhe geschenkt, was ich, wenn auch vielleicht nicht romantisch, so doch sehr
aufmerksam von ihm finde. Glaubst du wirklich, dass er nur verrückt darauf ist,
dir Flora und Fauna zu zeigen? Ich weiß ja, Lydia, dass du ein Landmäuschen
bist, aber so behütet kann doch niemand sein!“
Sarah
kicherte.
„Nein“,
fuhr sie fort, „dieses Kleid kommt für Malvern überhaupt nicht infrage.
Außerdem scheint Tanner nicht dein einziger Verehrer zu sein. Was, wenn einer
der Gentlemen dir einen Antrag macht und du steckst in diesem alten grauen
Fetzen? Denk nur, wie peinlich das wäre.“
Lydia, das
Kleid an sich gedrückt, fuhr zu ihrer Schwägerin herum. „Niemand wird mir einen
Antrag machen. Es ist einfach nur ein kleiner Besuch auf dem Lande, nur bis
Tanners Wunde verheilt ist und der Baron in London nicht mehr als Sensation
gilt.“
„Und dessen
bist du dir sicher?“
„Natürlich“,
entgegnete Lydia und ignorierte dabei den rasenden Schlag ihres Herzens. „Wenn
überhaupt, wird Tanner sich Jasmine erklären.“
„Ach?“
Charlotte hob eine Braue. „Und wie erklärst du dir dann, dass Tanner
unmittelbar nach eurem Einkauf um ein privates Gespräch mit Rafe bat?“
„Wie
bitte?“ Das Kleid fiel Lydia aus den plötzlich bebenden Händen.
„Was ist,
Liebes? Du bist ganz blass geworden. Wusstest du das etwa nicht? Und welch ein
Zufall, ein paar Stunden vorher bat auch der Baron Rafe um ein Gespräch unter
vier Augen. Rafe war heute sehr beschäftigt. Und dir wird es kommende Woche
genauso gehen – du wirst sehr beschäftigt sein.“
Abermals
kicherte Sarah, schlug sich dann rasch die Hand vor den Mund und hastete aus
dem Zimmer.
Lydia ging
zum Frisiertisch und ließ sich schwer auf den Hocker davor fallen. „Justin
scherzt nur. Das hat er so gut wie zugegeben. Das Gespräch mit Rafe gehörte zu
dem Scherz dazu. Zugegeben, kein sonderlich lustiger Scherz.“
Aufseufzend
schüttelte Charlotte den Kopf. „Liebes, warum kannst du dich nicht als
attraktiv ansehen, äußerlich und innerlich? Als eine Frau, von der Männer auf
den ersten Blick gefesselt sind, und zwar so gründlich, dass sie sich unbedingt
Rafes Segen holen wollen, ehe sie dir ernsthaft den Hof machen?“
„Justin mag
Frauen nicht.“
„Wirklich?
Und doch habe ich es aus erster Hand, dass er Frauen sogar sehr gern mag. Und
sehr häufig ... zumindest hörte ich das von Rafe. Willst du sagen, er zieht ...
äh ...“
„Nein!
“, rief Lydia errötend. „Also, er mag Frauen schon, nur hat er etwas gegen
sie. Oh, ich weiß auch nicht, ... aber ich meine eben, dass Justin mich nur
necken wollte. Er hält sich für amüsant.“
„Und ist es
nicht?“
Lydia
wollte nicht darüber reden, oder besser, nicht über den Baron; über Tanners
Besuch bei Rafe hätte sie liebend gern mehr erfahren. „Doch, er ist sehr
amüsant, nur ...“, sie zögerte kurz und überlegte, „... er weiß es auch.
Und er amüsiert sich oft auf Kosten anderer. Deshalb denke ich, er mag nicht
nur keine Frauen, er mag auch Männer nicht. Und sich selbst am
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