Kasey Michaels
das
so falsch? Ihr Gefühl sagte ihr Nein.
10. Kapitel
olla, auf und davon, alter
Freund!“, rief Baron Wilde und
setzte sich mit seinem Pferd an Tanners Seite, als
im morgendlichen Dunst die Reisekutsche mit dem goldgeprägten Malvern-Wappen
auf den Türen den Grosvenor Square verließ. „Ah, was schaust du so grimmig?
Hast du geglaubt, du könntest dich mit den zwei reizenden Damen heimlich ohne
mich aus der Stadt schleichen?“
„Ich weiß
doch, dass man dich nicht los wird“, entgegnete Tanner spaßhaft. „Hattest
du etwa erwartet, von mir aus den Armen irgendeiner Sängerin oder Tänzerin
gerissen zu werden, der du gestern Nacht die Ehre gabst? Du bist immer noch im
Abendanzug, und für jemanden, der höchsten Wert auf sein Äußeres legt, siehst
du ein wenig derangiert aus. Lange Nacht?“
„Interessante
Nacht.“ Justin rieb sich die Bartstoppeln. „Übrigens hat sich Brummel
endlich aus dem Staub machen können, ist nach Calais geflohen. Noch ist es
nicht bekannt, aber da wir London hinter uns lassen, kann ich es dir ja
erzählen.“
„Glaubst du
etwa, ich würde seine Gläubiger alarmieren?“
„Möglicherweise?“
Justin grinste breit. „Du bist ein so ehrlicher, aufrechter Bursche. Ein Hort
der Moral und so weiter ... Ehrlich, ich weiß nicht, wie ich dich manchmal
ertrage. Oder wie du mich erträgst.“
„Ich bin
eben sehr nachsichtig“, sagte Tanner ironisch.
„Ja,
geduldig wie ein Heiliger.“
Tanner
trieb sein Pferd an, da sie die belebteren Straßen hinter sich gelassen hatte
und die Kutschpferde schneller wurden. Ein Stück hinter ihnen folgte der zweite
Wagen mit der Dienerschaft und dem Gepäck. Justin allerdings hatte kein Gepäck
dabei, was aber vielleicht auch nur bedeutete, dass sein Wagen schon seit Stunden
unterwegs war und ihnen weit voraus.
„Aber meine
Geduld ist weniger strapazierfähig. Also frag schon, was ich mit Brummels
Flucht zu tun habe, da ich doch erst wenige Tage wieder in England bin.“
„Gut, ich
frage dich.“
„Nun,
offiziell bin ich erst vor ein paar Tagen zurückgekehrt, aber das Heim meiner
Ahnen hatte ich schon öfter wieder besucht – inkognito natürlich. Ein
königlicher Pardon ist nicht schnell zu erhalten und billig auch nicht. Der
gute Prinny schwimmt jetzt in meinem Geld. Dank ihm zählt nun auch Brummel zu
den Ausgestoßenen. Ihm meine Unterstützung anzubieten, war die logische Folge
davon, dass meine Abscheu vor unserem Prinzregenten in gleichem Maße wuchs wie
mein Mitgefühl für Geächtete. Lange Rede kurzer Sinn, es gelang mir zusammen
mit ein paar Spießgesellen, Brummel unter der Nase seiner Gläubiger zu
entführen. Ehe die wussten, was ihnen geschah, brauste der Beau schon gen
Dover. Inzwischen sitzt er dort wahrscheinlich irgendwo gemütlich herum und
schlürft Champagner.“
Tanner
schüttelte den Kopf. „Und das alles, obwohl du den Mann kaum kanntest.“
„Oder er
mich. Aber immerhin, er hinterließ mir seinen Erkerplatz bei White's. Na ja,
sagen wir, ich hab ihn ihm abgekauft. Schließlich braucht der Gute
Taschengeld.“
„Du hast
den Platz gekauft?“ Tanner lachte so sehr, dass er sich kaum im Sattel
halten konnte. „Wirst du demnächst dort sitzen und über die armen Tröpfe
lästern, deren Anzug nicht dem Standard Brummels entspricht?“
„So
ungefähr. Sag, sollte ich mir ein Monokel anschaffen? Das würde sicher gut zu
dem geplanten Trauerschwarz und meinem melancholisch düsteren Blick
passen.“
„Sieh
lieber zu, dass du zur Poststation kommst, um dich umzukleiden, oder du musst
dir den Weg nach Malvern selbst suchen“
„Und ebne
dir so den Pfad zu unserer entzückenden Lady Lydia, auf die dank deiner
idiotischen Ehrbarkeit auch ich Jagd machen
darf. Bestimmt nicht!“ Und teuflisch grinsend grub er
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