Kasey Michaels
baumstammgleichen Beine flatterte.
Er war fast
so breit wie hoch. Seinen nicht weniger massigen Kopf bedeckte ein Wust
krausen, schwarzen regenfeuchten Haars. Seine schwarzen Augen blickten
undurchdringlich, erweckten jedoch den Anschein, dass ihm heitere Gedanken
fremd waren.
Kurz
gesagt, die Aura des Neuankömmlings strahlte ungefähr so viel Fröhlichkeit aus
wie ein Bestatter, der gerade eine Leiche abgeholt hatte.
Kein
Wunder, dachte Tanner, dass meine liebste Lydia mich gar nicht mehr loslassen
will. „Ah, Wigglesworth“, sagte er und kämpfte um eine ernste Miene, denn
diese Reaktion hatte er schon oft genug erlebt. Danke, dass Sie uns
abholen.“
„Kein
Ursache, Euer Gnaden“, antwortete Wigglesworth und trat flink hinter dem
Riesen hervor. Und da stand er, ein kleiner Mann, ganz in makelloses Hellgrau
gewandet; kein Regentröpfchen verunzierte seine Kniehosen und die feinen
Lederschuhe oder die schwerseidene Weste und üppigen Spitzenrüschen an Hals und
Hemdärmeln. Wigglesworth war das Abbild eleganter Schneiderkunst, nur dass
dieses Bild vor zwei Jahrzehnten gemalt worden sein musste. Lediglich zwei
Dinge beeinträchtigten die Perfektion seiner Erscheinung: Einmal seine Gestalt
– ein Kampfhahn mochte ihn nicht unbedingt an Größe, so doch an Gewicht
übertreffen – und dann seine Stimme. Er klang wie eine Dame, die gerade eine
Maus auf ihrem Teller entdeckt hat.
Mit
schwungvoller Geste zog er den breitkrempigen Hut, von dessen Rand eine große
schneeweiße Straußenfeder wallte, enthüllte eine gepuderte Perücke und
vollführte vor Lydia einen eleganten Kratzfuß.
„Mylady,
Ihr Diener.“
„Wir werden
Ihnen jetzt folgen“, erklärte Tanner, während der Diener sich auch vor ihm
aufs Eleganteste verbeugte.
„Sehr
gnädig. Aber ganz wie es Ihnen passt, Euer Gnaden. Brutus und meine Wenigkeit
sind ganz zu Euer Gnaden Gefallen da. Brutus, bitte sehr, ich bin bereit, den
Platz in meinem Wagen einzunehmen. Euer Gnaden, er wird umgehend zu Ihnen
zurückkehren. Brutus, sag ihm, dass du sofort wieder hier bist.“
Der Riese
grunzte tief in der Kehle und setzte ein Lächeln auf, das weniger tapfere
Männer, und gut bewaffnete noch dazu, nach ihrer Mutter rufen lassen würde.
„Gut gemacht“,
lobte Wigglesworth. „Und nun – los!“
Brutus
schlug eine Seite seines Umhangs zurück, packte Wigglesworth um die Mitte und
klemmte ihn sich unter den Arm. Der kleine Diener verschwand so gut wie
vollständig unter dem schwarzen Stoff, nur seinen Federhut, den er rasch in die
Hand genommen hatte, streckte er darunter hervor, und so trug Brutus ihn zu den
wartenden Kutschen hinüber.
„Kein
Wunder, dass er so blitzsaubere Schuhe hat. Aber Brutus?“, sagte
Lydia, ihre Augen so groß wie Untertassen.
„Hm,
ja.“ Tanner fand, er war ihr eine Erklärung schuldig. „Er spricht nicht;
ich weiß nicht, ob er es nicht kann, gehört hat man ihn jedenfalls noch nie.
Justin weiß es vielleicht, denn er hat ihn entdeckt, doch er wäre nie so
ungehörig, ihn zu fragen.“
„Was sind die
beiden – oder sollte ich sagen, die drei – doch für ein seltsames
Gespann.“
„Justin
wäre der erste, dir zu erklären, dass er nicht gern für gewöhnlich gehalten
wird.“
„Das ist
nicht zu übersehen. Ich mag ihn wirklich gut leiden, aber ich gebe zu, dass ich
ehrlich nicht verstehe, warum er sich so verhält, wie er es tut. Ich bin
überzeugt, dass ihn wesentlich mehr umtreibt als nur dieses unglückselige Duell
und seine lange, erzwungene Abwesenheit von England.“
„Das Duell
und die Verbannung genügten nicht, meinst du? Du glaubst, es gibt da noch
irgendein düsteres Geheimnis? Nein, da ist nichts. Er ist einfach nur Justin.
Eines Tages
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