Kasey Michaels
stünde draußen. Hatte sie bemerkt, dass in ihrem
Retikül gekramt worden war?
Es war
jedoch nur Sarah, die, ganz offen gähnend, hereinkam und verwundert ihre
Herrin anstarrte. Dann knickste sie. „Mylady, Sie sind auf? Ich wollte nur
rasch das Feuer anfachen, damit es für Sie beim Aufstehen nicht so kalt
ist.“
„Ah, ja,
danke Sarah, du bist sehr aufmerksam. Aber wie du siehst, bin ich schon wach.
Wir wollen frühzeitig aufbrechen, nicht wahr?“
Sarah
kniete schon vor der Feuerstelle und schob Anmachholz in die Glut. „Ja, Mylady,
wenn wir in einer Stunde aufbrechen, sollten wir gegen Mittag auf Malvern Hall
eintreffen, sagte wenigstens Hawkins – das ist Seiner Gnaden Kammerdiener. Mr
Wigglesworth ist schon in der Küche und macht da einen grässlichen Wirbel. Fast
hab ich Angst, runterzugehen und Ihre Tasse Schokolade zu verlangen.“
„Du hast Mr
Wigglesworth gesehen, Sarah?“, fragte Lydia, neugierig auf den Mann, der,
um für Justins Bequemlichkeit zu sorgen, allen anderen das Leben zur Hölle
machte.
„Nur
einmal, und das genügte mir“, erklärte Sarah. Ächzend stemmte sie sich vom
Boden hoch. „Ich habe das Zimmer mit Mildred geteilt, Miss Harburtons Zofe,
Miss. Gesprächig is' die. Also, Mylady, wie Mildred über ihre Herrin redet ...
Sachen sagt sie ...“
Lydia
vergaß Wigglesworth. „Tatsächlich? Was denn, Sarah? Ich meine, nicht dass ich
neugierig wäre ...“
Verschmitzt
blinzelte Sarah ihr zu, während sie begann, die Kleidung für ihre Herrin
zurechtzulegen. „Ach, dies und das. Dass Miss Harburton ihr nie 'mal ein
hübsches Band oder sonst ein abgelegtes Teil gibt. Richtig geizig ist sie und
ihr Papa genauso. Und auch Übrig gebliebenes aus der Küche, nie so wie Sie,
Mylady: Da, nimm den letzten Kuchen, oder da ist noch ein leckeres Stück Käse
oder so. Mildred hatte gehofft, sie würde ein Scheibchen von Mr Wigglesworths
feinem Lendenbraten abbekommen, aber Miss Harburton hat nicht 'mal ein
Krümchen auf dem Tablett gelassen, das Seine Gnaden ihr hatte bringen lassen.
Aber eigentlich lässt sie sowieso nie was übrig, sagt Mildred. Nicht wie Sie,
Madam, wie es eben eine richtige Dame macht! Aber das habe ich Mildred auch
gesagt.“
Lydia hörte
das Kompliment gar nicht, da sie im Geiste noch einmal ihre Unterhaltung mit
Jasmine durchging. Die hatte behauptet, sie hätte nicht einen Bissen von dem
gegessen, was man ihr hinaufgeschickt hatte. Sie hatte geschwindelt, um zu
erklären, weswegen sie später angeblich nach ihrer Zofe gesucht und sich dabei
verletzt hatte. Und die Ausrede war so schnell, so glatt und leicht über ihre Lippen
gekommen, dass Lydia sie nicht eine Sekunde infrage gestellt hatte.
Ein klarer
Beweis dafür, dass das Mädchen offensichtlich viel geübter in der Kunst der
Lüge und der Verstellung war, als man ihm zutraute. Himmel, gegen sie war
Nicole ein Amateur!
Ich kann
Jasmine nicht ein Wort mehr glauben, egal was sie sagt, dachte Lydia, nicht ein
einziges Wort, nicht eine Silbe.
„Oh
je“, sagte Sarah, die nun die Bettdecke zum Lüften zurückschlug. „Ich
wusste nicht, dass es schon wieder so weit ist. War's nicht grad erst vorbei?
Ich hätte drauf wetten ...“ Jäh klappte sie den Mund zu und lief blutrot
an. Hastig zog sie das Laken vom Bett. „Macht nichts, Mylady, vielleicht nur
ein Restchen, ist bestimmt gestern durchs Reiten gekommen. Keine Sorge, ich geh
nur rasch und wasch es persönlich aus. Spart der Magd Arbeit. Wenn Sie nur noch
einen Moment länger auf Ihre Schokolade warten würden? Und ich lasse Ihnen ein
schönes heißes Bad bereiten, das hilft, wenn Sie ein bisschen wund sind, von
Daisys Sattel, mein ich.“
Kaum war
Sarah, das zusammengerollte Laken unter dem Arm, aus der Tür, ließ Lydia sich
aufs Bett sinken. Sie hätte vor
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