Kasey Michaels
verdammten Steine begutachtest. Um ehrlich zu sein, habe ich an das
Zeug seit unserem Gespräch gestern nicht mehr gedacht.“
„Man kann
sich nur wundern, wieso nicht.“ Justin lächelte allwissend.
„Wundere
dich weiter.“ Ernster fügte er hinzu: „Bitte, Justin, bleib doch bei uns auf
Malvern. Du bist mein Freund.“
„Ja, ich weiß,
und da diese Freundschaft ein großes Geschenk ist, will ich sie erhalten.“
„Was zur
Hölle soll das nun be...?“
Tanner
brach ab. Er spürte ihre Gegenwart, ehe er sich umwandte und Lydia die Treppe
herabsteigen sah, sorgsam den Rock ihres Reitkleides raffend. Ihr Blick war auf
die Stufen gerichtet, doch als sie die letzte erreichte, schaute sie auf und
ihm direkt in die Augen.
Der
Ausdruck in ihren wunderschönen Augen traf ihn wie ein Schlag, denn er las
Unsicherheit darin, Scheu ... und Wonne.
„Lydia“,
flüsterte er, ging ihr entgegen und reichte ihr seine Hand. Sie ergriff sie,
und ohne seinen Blick von dem ihren zu lösen, hob er ihre Finger und drückte
einen Kuss darauf.
Wie lange
sie so in wortlosem Einverständnis verharrten, konnte Tanner nicht sagen; es
gab nur sie und ihn.
„Tanner!
He, Tanner! Wenn ihr euch nicht vom Fleck rührt, werde ich nie an euch
vorbeikommen! Was ist passiert? Ist Lydia gestolpert? Ich schwöre, so steil,
wie diese Treppe ist, ist es ein Wunder, dass noch niemand zu Schaden kam.
Obwohl ...“ Jasmine trabte an ihnen vorbei, entdeckte Justin und plapperte
an ihn gerichtet weiter: „Oh, guten Morgen, Justin; da drängeln wir uns nun
alle hier unten. Habt ihr auf mich gewartet?“
„Schon ein
Leben lang“, sagte Justin schmeichlerisch, während er sich leicht
verneigte und ihr den Arm bot. „Es wäre mein höchstes Vergnügen, Sie durch den
Regen zur Kutsche zu begleiten, während mein Freund sich Lydias annimmt. Mein
Lieber? Du wirst dich doch ihrer an meiner Statt annehmen?“
Die beiden
Männer sahen sich an.
„Immer“,
entgegnete Tanner leise.
Justin
neigte kurz den Kopf, dann blitzte sein geheimnisvolles Lächeln auf. „Ja, das
denke ich auch. Jasmine, gehen wir? Draußen wartet sicherlich Wigglesworth, mit
einem Regenschirm bewaffnet.“
Tanner
schaute ihnen nach.
„Ist etwas
mit Justin?“, fragte Lydia, während Tanner ihr half, die Kapuze ihres
Umhangs über ihrem Haar zu drapieren.
„Nein, dem
geht es gut. Ich glaube, er erkennt gerade, dass am Leben mehr dran ist, als er
bisher glaubte und zu sehen gewillt war, und entdeckt ganz neue Perspektiven.
Ich hoffe für ihn, er findet eine passende.“
„Ich
verstehe nicht“, sagte Lydia. Sie schob ihre Hand in Tanners, eine ganz
schlichte Geste, doch ein Symbol für ihren neuen, unbeschwerten Umgang
miteinander.
„Hauptsache,
er versteht es. Ich erkläre es dir später, viel später, sonst tut er dir noch
leid, und das würde er sofort spüren.“ Sacht hob er ihr Kinn an und
schaute ihr erneut in die Augen. „Dir geht es gut?“
Sie
errötete sittsam. „Ja, danke; Tanner, ich ...“
Er konnte
nicht länger widerstehen, ganz zart drückte er seine Lippen auf die ihren, ein
gestohlener Kuss, doch von Lydia willkommen geheißen, denn sie seufzte leise,
als er sich von ihr löste. „Ich kann es kaum erwarten, dir Malvern zu zeigen.
Du sollst es lieben.“
„Ich
glaube, ich liebe es schon jetzt“, entgegnete sie leise. Beide wussten,
was sie in Wirklichkeit meinten.
„Wir
sollten hinausgehen: Sie warten schon alle.“
„Ja, ich
... oh, mein Gott!“ Lydia klammerte sich verdutzt an seine Hand.
Vor ihnen
hatte die Tür sich geöffnet, und ein gewaltiger, zweibeiniger Koloss
verdunkelte die Schwelle, der in seiner riesigen Faust einen aufgespannten
Regenschirm hoch über seinen Kopf hielt. Der Mann war in einen weiten schwarzen
Umhang gehüllt, der um seine
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