Kassandras Fluch
nach so vielen, langen Jahren.«
Bevor das Ganze zu einem sehr langen Dialog ausartete, stellte ich eine Zwischenfrage. »Sir, bitte, können Sie uns zwei armen Zuschauern mal erklären, was das zu bedeuten hat? Sie kamen hier herein, umarmten und küßten diese Frau und…«
»Moment, John, ich gebe Ihnen die Erklärung. Seit wann ist es verboten, seine eigene Frau zu küssen…?«
***
Ich schloß die Augen, Suko hielt sie offen, das hat er mir später berichtet.
Wie dem auch war, wir konnten es nicht fassen, waren wie vor den Kopf geschlagen.
Sir James war verheiratet oder verheiratet gewesen? Das war der Klopfer des Jahres, der Hammer der Stunde, und ob ich wollte oder nicht, ich konnte mir ein etwas dumm klingendes Lachen nicht verkneifen.
»Ist was?« fragte Sir James.
Ich nickte einige Male. »Eine ganze Menge, würde ich sagen. Sir, Sie… Sie verstehen es wirklich prächtig, einen Menschen zu überraschen. Ich persönlich habe auch nichts dagegen, daß es jedoch so dick kommt, damit haben Suko und ich nicht gerechnet.«
»Genau«, sagte mein Freund.
Sir James hob die Schultern. »Als was haben Sie mich denn bisher angesehen? Konnten Sie sich nicht vorstellen, daß ich auch einmal verheiratet gewesen war oder es noch bin?«
»Ehrlich gesagt, nein, Sir«, gab Suko zu.
Der Superintendent nickte. »Manchmal ist es sogar verständlich. Sie haben mich nie mit einer Frau zusammen gesehen und gingen davon aus, daß mein Leben sich zwischen dem Büro und dem Club abspielt. Habe ich recht, John - Suko?«
Wir nickten beide.
»Das mag auch so stimmen, aber denken Sie daran, daß es auch bei mir ein Früher gab, wo ich noch nicht beim Yard beschäftigt war und mir andere Aufgaben übertragen wurden.«
»Geheimdienstlicher Art?«
»So ist es. Agathe Stanhope war ebenfalls für die Regierung tätig, also auch im Secret Service, wo sie als Person galt, die fast alles wußte. Man nannte sie das Gehirn oder eben Lady Kassandra. Sie besitzt die Begabung, Dinge zu sehen, die anderen verborgen bleiben. Aber wie in der griechischen Mythologie hat auch hier das Schicksal mitgespielt. Niemand glaubte ihr.«
»Auch Sie nicht, Sir?«
»Doch, John, ich glaubte ihr. Ich habe mich sogar in diese außergewöhnliche Frau verliebt. Sie erwiderte meine Liebe und wollte nicht mehr von meiner Seite weichen. Wir haben geheiratet, was allerdings kaum jemand wußte. Leider trennte uns der Job zu oft. Es war zwar eine gute Ehe, aber keine glückliche, weil wir eben nicht zusammen waren.«
»Woran lag es denn, daß Lady Agathe in die Zukunft schauen konnte? Spielte der Ring dabei eine Rolle?«
Sir James nickte. »Ja, er war das ein und alles.«
»Woher kam er?« wollte Suko wissen.
»Das müssen Sie schon meine Frau fragen.«
Einen derartigen Satz hatten wir von Sir James noch nie gehört und zeigten uns dementsprechend irritiert. Lady Kassandra achtete nicht darauf. Sie erklärte uns, daß ihr der Ring von jemandem geschenkt worden war, dem sie das Leben gerettet hatte.
»War das in Europa?«
»Nein, im Orient. Der Mann gehörte zu der Gruppe Menschen, die man heute als Gurus bezeichnen würde, aber er war mehr, das spürte ich sofort. Er besaß Kontakt zu jenseitigen Welten. Er sagte mir ein bestimmtes Detail aus meinem zukünftigen Leben genau voraus, und da wurde mir klar, daß dieser Mensch kein Scharlatan war. Ich rettete ihm das Leben, vordem Tod konnte ich ihn nicht bewahren. Man brachte ihn um, und er übergab mir, als ich zufällig in seiner Todesminute bei ihm war, den Ring, der mein Leben verändern sollte.«
»Und nicht nur das ihre«, erklärte Sir James, »ich wurde damals zum erstenmal mit Gebieten konfrontiert, über die ich zuvor nur gelacht oder die Nase gerümpft habe. Ich merkte jedoch, daß es nicht nur unsere Welt gibt, und eine andere oder viele andere ebenfalls vorhanden waren. Man mußte sie nur finden und fest zu ihnen stehen. Ich lernte also um und war derjenige, der ihr glaubte, wenn ihre Ahnungen sie überkamen. Viel später trennten wir uns dann. Ich übernahm eine Aufgabe beim Yard, Agathe wollte in einem wärmeren Klima leben. Der Kontakt riß nie ab. Wir telefonierten oft miteinander, wurden älter, aber ich war stets über ihr Schicksal informiert.«
»Dann besaßen sie den Ring nicht mehr«, sprach ich Lady Kassandra an.
»Das stimmt. Er wurde mir gestohlen, und zwar ausgerechnet von einem unserer größten Widersacher, dem Bulgaren.«
»Der Name sagt uns nichts«, sprach ich für
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