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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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massige Gestalt ganz gerade lag und korrigierte die Lage von Armen und Beinen. Von dem Sedativ betäubt, zeigten sich in Hertzogs Gesicht weniger Hinweise auf innere Anspannung. Basil trat an die Instrumentenkonsole, betätigte einige Schalter, kehrte an die Liege zurück und preßte Hertzog einen Metallzylinder auf die breite Brust. Lichtpunkte tanzten über einen Bildschirm, und ganz unten wurde eine Zahl eingeblendet: 38.
    »Der Puls ist ein bißchen niedrig«, sagte Basil. »Wir warten noch ein paar Minuten. Die Wirkung von Meioral läßt rasch nach.«
    »Und dann?« fragte Waylock. »Wird er katto sein oder manisch?«
    »Wahrscheinlich katto. Setzen Sie sich, Gavin; ich will versuchen, Ihnen das Verfahren zu erläutern.«
    Waylock nahm auf einem Hocker Platz. Basil lehnte sich an die Stützstreben der Liege. Der Pulszähler blieb auf Hertzogs Brust liegen. Der Bildschirm erstattete seinen intermittierenden Bericht, und die eingeblendete Nummer lautete nun 41.
    »In einem schizoiden Bewußtsein«, begann Basil, »sind die Denkprozesse in einem mehr oder weniger großen Ausmaß gestört oder beeinträchtigt. Bei einem Katto ist das anders. Sein Bewußtsein läßt sich mit einem Motoraussetzer vergleichen, zu dem es infolge eines unüberwindlichen Hindernisses kam.«
    Waylock deutete mit einem Nicken an, daß er verstand. Die Lichtimpulse auf dem Schirm flackerten nun in einer etwas schnelleren Reihenfolge auf; der Zähler zeigte jetzt 46 an.
    »Es gibt natürlich einen ganzen Berg von Theorien und Therapieverfahren. Sie alle können dieser oder jener grundlegenden Variante zugeordnet werden: Gesprächsanalyse, die aber nur bei den weniger schlimmen Fällen anwendbar ist, dort, wo noch die Möglichkeit zur Kommunikation besteht; Hypnose oder Suggestion, mit deren Hilfe man den eigentlichen Krankheitskern überlagert; Drogen, die eine nützliche Unterstützung des gerade beschriebenen Verfahrens darstellen und auch für sich selbst genommen eine gewisse Brauchbarkeit aufweisen. Ihre Wirkung aber besteht nur aus einer Betäubung der Bereiche, in denen es zu der Fehlfunktion kommt, und sie ist keinesfalls länger anhaltend. Dann gibt es noch die Schockbehandlungen mit Hilfe von chemischen, hormonellen, elektrischen und mechanischen Methoden oder auch direkter psychischer Einwirkung. Manchmal kann man mit Schocks überraschende Ergebnisse erzielen. Doch meistens stellt der Schock selbst schon ein Trauma dar.
    Wir haben weiterhin die Chirurgie, die aber nichts anderes bedeutet als ein Herausschneiden der gestörten Sektion. Dann die Elektro-Befriedung, was einem Trüben oder Löschen aller Denkprozesse gleichkommt. Ähnlich funktioniert das Strudelprinzip, das zu einer Beruhigungsverwirrung des ganzen Gehirns führt. Und schließlich gibt es noch die Methode, die von Gostwald Pewishewsky praktiziert wird und dem Verfahren ähnelt, durch das die Amarant zu ihren Surrogaten gelangen: die Heranzüchtung eines neuen Individuums durch Kultivierung einer Körperzelle – ein Verfahren, das man kaum als Therapie bezeichnen kann, obgleich es letztendlich diesen Effekt hervorruft. Natürlich habe ich alle diese Methoden geprüft, doch ich war nicht zufrieden damit. Ich hatte den Eindruck, keine von ihnen sei geeignet, das dem Übel eines Kattos zugrunde liegende Problem zu lösen – bei dem es sich ja nur um seine Frustration und Melancholie handelt. Um einen Katto zu heilen, müssen wir also entweder das eben schon angesprochene Hindernis beseitigen – was auf eine völlige Veränderung unseres gesamten Gesellschaftssystems hinausläuft und somit ganz offensichtlich unmöglich ist –, oder wir müssen das Bewußtsein des Kattos so justieren, daß ihm das Hindernis nicht länger als unüberwindlich erscheint.«
    Waylock nickte. »So weit kann ich Ihnen folgen.«
    Basil lächelte beinah schmerzlich. »Das erscheint Ihnen simpel? Sie haben recht – aber es ist erstaunlich, wie wenige der gerade umrissenen Therapien diesem fundamentalen Prinzip gerecht werden. Wie soll man den Alpdruck der Frustration aus dem Katto-Bewußtsein entfernen? Suggestion oder Hypnose reichen dazu ganz offensichtlich nicht aus. Chirurgie ist eine zu extreme Maßnahme, da der Katto an keiner organischen Veränderung leidet. Die Anwendung des Strudelprinzips oder Hormonschocks sind ebenfalls nicht zur Behandlung geeignet, da die Nervenverbindungen und somit die elektrochemischen ›Verschaltungen‹ des Hirns eines Kattos vollkommen in Ordnung sind.

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