Kaste der Unsterblichen
dort, überall. Manchmal in Kharnevall in der Offenbarungshalle.«
»Bei all den anderen Ausgeflippten«, murmelte Caddigan.
Pladge war nicht beleidigt. »Es ist ein angemessener Ort, und wir erregen kein Aufsehen. Wir hatten dort einige ausgezeichnete Sitzungen.«
Kurzes Schweigen schloß sich an. Waylock erhob sich. »Ich glaube, ich mache mich jetzt auf den Heimweg.«
»Sie haben Ihr Problem mit keinem Wort erwähnt«, bemerkte Seth mit bedeutungsschwangerer Stimme.
»Ich werde es schon in Ordnung bringen«, sagte Waylock. »Ich habe es praktisch schon dadurch gelöst, indem ich hier saß, Sie beobachtete und Ihnen zuhörte.« Er wandte sich an Pladge. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Herr Waylock. Ich hoffe, Sie besuchen uns wieder!«
Waylock warf dem schweigenden Seth einen kurzen Blick zu. »Es wäre mir ein außerordentliches Vergnügen.«
2
Als Waylock am nächsten Morgen ins Palliatorium kam, saß Seth Caddigan bereits an seinem Schreibtisch. Er quittierte Waylocks Ankunft nur mit einem Nicken, und Waylock begann seinen Dienst. Im Laufe des Vormittags inspizierte Caddigan mehrmals die Krankenstation und sah sich kritisch um. Doch Waylock war seinen Pflichten mit aller Sorgfalt nachgekommen, und Caddigan konnte keine Beanstandungen finden.
Kurz vor Mittag eilte Basil Thinkoup herein. Er entdeckte Waylock und blieb ruckartig stehen. »Fleißig bei der Arbeit, eh?« Er sah auf die Uhr. »Zeit zum Mittagessen. Kommen Sie, begleiten Sie mich. Ich werde Caddigan anweisen, sich um die Station zu kümmern.«
In der Caféteria nahmen sie an dem Tisch Platz, an dem sie auch tags zuvor zu Mittag gegessen hatten. Die halbkreisförmige Fensterfront bot eine phantastische Aussicht. Über den Bergen hatte sich ein plötzliches Unwetter zusammengebraut und zog nun heran. Zerfaserte Wolkenfetzen jagten über den Himmel, schwarze Regenbesen fegten über den Melodienstrom, und die Bäume im Park duckten sich unter jähen Windböen.
Basil blickte hinaus, sah dann aber rasch wieder zur Seite, als lenkte ihn die Aussicht von wichtigeren Dingen ab.
»Gavin«, sagte Basil, »es fällt mir schwer das zu sagen – aber Sie sind der einzige Mensch hier im Palliatorium, zu dem ich Vertrauen habe. Alle anderen halten mich für übergeschnappt.« Er lachte. »Um ganz ehrlich zu sein – ich brauche Ihre Hilfe.«
»Ich bin geschmeichelt«, sagte Waylock. »Und überrascht. Sie brauchen meine Hilfe?«
»Sie sind übriggeblieben, weil alle anderen nicht in Frage kommen. So sehr ich Sie auch schätze – ich würde doch lieber Unterstützung suchen bei einem erfahrenen Fachmann.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist unmöglich. Für meine Vorgesetzten bin ich nur ein ›Empiriker‹. Und meine Untergebenen, die mir normalerweise mit Respekt begegnen sollten – Seth zum Beispiel –, lassen sich von dieser Einstellung infizieren. Folglich bin ich ganz auf mich allein gestellt.«
»Das ist heutzutage jeder.«
»Da haben Sie recht«, stimmte Basil ziemlich geschwollen zu. Er beugte sich zu Waylock vor und klopfte ihm auf die Hand. »Nun, wie lautet Ihre Antwort?«
»Ich freue mich über die Möglichkeit, Ihnen helfen zu können.«
»Wunderbar!« entgegnete Basil. »Kurz gesagt: Ich möchte eine neue Therapie ausprobieren. An Maximilian Hertzog – einem unserer auserlesensten Exemplare.«
Waylock erinnerte sich daran, daß Seth Caddigan diesen Namen erwähnt hatte.
»Ein Fall besonders schlimmer Katatonie«, fuhr Basil fort. »Als Manischer ist er völlig reglos – starr wie eine Marmorstatue. Als Katto ist er furchtbar.«
»Für was brauchen Sie meine Hilfe?« lautete Waylocks vorsichtige Frage.
Basil sah mit Verschwörermiene nach rechts und links, bevor er antwortete. »Gavin«, sagte er rauh, »diesmal habe ich die Lösung des Problems gefunden: eine spezifische Heilmethode für die Psychose, wirksam bei, so nehme ich an, achtzig Prozent unserer Patienten.«
»Hm.« Waylock überlegte. »Ich frage mich nur …«
»Sie fragen sich was?«
»Wenn wir die Insassen der Palliatorien wieder in die Welt draußen schicken, dann erhöhen wir damit die Bevölkerungsdichte und verschärfen den Wettbewerb um Steigung.«
Basils Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Wollen Sie damit andeuten, daß es falsch sei, wenn wir uns bemühen, Geisteskrankheiten zu heilen?«
»Nicht unbedingt«, sagte Waylock. »Aber es erscheint mir denkbar, daß durch einen verschärften Wettbewerb noch mehr Menschen der Psychose
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