Kaste der Unsterblichen
erneut von Wächtern angehalten, dann schritten sie durch das Vorzimmer, wo eine Anzahl von Kontrollschirmen und Meßinstrumenten und Prüffeldern eine Bestandsaufnahme ihrer Körper machten.
»Warum all diese Vorsichtsmaßnahmen?« erkundigte sich Imish in naivem Erstaunen. »Es würde doch bestimmt niemand versuchen, hier einzudringen?«
Gaffens lächelte dünn und kühl. »An diesem Ort, Kanzler, wachen wir über die Privatsphäre unserer Bürger. Nicht einmal Generaldirektor Jarvis von den Assassinen kann Informationen von diesem Raum anfordern – es sei denn, der betreffende Bürger hat die ihm zugestandene Lebensspanne deutlich überschritten.«
Kanzler Imish nickte. »In hohem Maße lobenswert! Ich frage mich … Würden Sie mir freundlicherweise die Funktionsweise dieser Apparaturen erklären?«
»Vielleicht könnte Rodenave sie Ihnen demonstrieren.«
»Nun ja«, murmelte Rodenave. »Selbstverständlich.«
Sie schritten über den weißen Fliesenboden auf die Vorderfront des Geräteblocks zu. Techniker warfen ihnen kurze Blicke zu und fuhren dann mit ihrer Arbeit an den Terminals fort. Der Laboratoriumsaufseher kam ihnen entgegen, und Gaffens murmelte ihm einige Worte zu. Sie wichen ein wenig zur Seite, als Rodenave Imish und Aversham an die aufragende Maschine heranführte.
»Jeder lebende Mensch strahlt Gehirnwellenmuster aus, die so unverwechselbar sind wie seine Fingerabdrücke. Bei der Registrierung in Schwarm werden diese Muster aufgezeichnet und gespeichert.«
Imish nickte. »Fahren Sie fort.«
»Um eine bestimmte Person zu lokalisieren, schalten sich die Hauptmeßstation und zwei Nebenstationen auf die betreffende Wellenfrequenz und senden Interferenzen. Es kommt zu einer Disharmonie, einer kleinen Störung, einer Reflexion. Die Richtungsangaben werden als Vektoren verzeichnet und erscheinen in Form eines schwarzen Punktes auf der Hauptkarte. Dadurch können wir …« Er unterbrach sich, suchte in einem Verzeichnis und betätigte Tasten. »Hier haben wir Ihren persönlichen Index, Kanzler. Der rote Umriß in dem blauen Koordinatensystem stellt den Aktuarius dar. Und der schwarze Punkt hier sind ganz offensichtlich Sie.«
»Genial!«
Rodenave setzte seine Erklärungen fort und blickte dann und wann nervös zu Gaffens und dem Kammeraufseher hinüber. Der Name Der Anastasia wurde erneut erwähnt. Wie beiläufig forderte Rodenave mit einem Tastendruck ihre Datenkarte an und arrangierte dann – dem Verlangen Waylocks entsprechend – eine Ausgabe in Hinsicht auf alle Angehörigen der Amarant-Gesellschaft. Die Filmstreifen klickten in den Auswurf – ein kleiner, dünner Folienstapel.
Rodenaves Arme gestikulierten wie Palmwedel. »Dies hier«, so stammelte er, »sind Amarant-Fernsondierungen, wissen Sie … selbstverständlich mit der Sicherheitstrübung versehen …« Die Filmstreifen entglitten seinen Fingern und rieselten zu Boden.
»Rodenave, Sie haben zwei linke Hände!« rief Gaffens verärgert.
»Nicht weiter tragisch«, sagte Kanzler Imish gutmütig. »Sammeln wir sie eben wieder ein.« Er ging in die Knie und begann damit, die glänzenden kleinen Filmstreifen zusammenzuscharren.
»Das ist nicht nötig, Kanzler«, sagte Rodenave. »Wir fegen sie einfach in den Müllschlucker.«
»Oh, wenn das so ist …« Imish richtete sich wieder auf.
»Wenn Sie alles gesehen haben, was Sie interessiert, Kanzler, können wir weitergehen«, sagte Gaffens.
Die Gruppe machte sich auf den Rückweg durch die Überprüfungskammer. Rolf Aversham zögerte noch einen Augenblick. Er hob einen der Datenstreifen auf, hielt ihn gegen das Licht, betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen und runzelte die Stirn. Dann wandte er sich an Gaffens, der gerade den Raum verlassen wollte. »Oh, Herr Gaffens!« rief Aversham.
4
Waylock saß im Café Dalmatia und spielte mit seinem Teeglas. Er fühlte sich ruhelos, wußte aber nicht, wohin er gehen sollte, und ihm fiel auch nichts ein, das einer dringenden Erledigung bedurfte.
Aus dem Innern des Aktuarius ertönte das gedämpfte Schrillen eines Alarms. Waylock drehte sich auf seinem Stuhl um und sah über den Platz.
Die lange Fassade verriet nicht, was drinnen vor sich ging. Der Alarm verklang wieder. Die Fußgänger auf dem Platz, die stehengeblieben waren, um neugierig zum Aktuarius hinüberzublicken, setzten sich wieder in Bewegung und gingen weiter ihren Geschäften nach. Einige jedoch traten zur Seite, um den Prangerkäfig zu beobachten.
Eine halbe
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