Kastner, Erich
Ausreden. Es klingt besser.« Er lachte.
»Du Gauner«, sagte sie und lächelte. Das ganze Leben lang war’s so gewesen: Wenn ihr Oskar lachte, dann mußte sie lächeln. Allerdings, viel zu lachen hatte er nicht gehabt. Und das war wohl ihre Schuld.
»Was machen die Beine?« fragte er.
»Das alte Lied. Am Montag mußte ich mich wieder einmal legen.
Da kam Hedwig herüber und half.«
»Ein braves Kind«, meinte er.
»Ja. Sie hat mir Ameisenspiritus mitgebracht. Zum Einreiben. Das hat gutgetan.« Sie sah sich um. »Wo ist denn übrigens das Andenken?«
»Du sitzt drunter.«
Sie drehte sich zur Wand und erblickte überm Ledersofa, an einem Nagel hängend, die Miniatur Holbeins des Jüngeren.
»Es ist nicht das echte Bild«, sagte er. »Sondern nur eine Kopie.
Das echte kostet eine halbe Million und ist verschwunden. Aber das erzähl ich dir später.«
Frau Emilie Külz musterte Anna Boleyn sehr kritisch. »Ein gemaltes Frauenzimmer!« stellte sie fest. »Noch dazu tief ausgeschnitten!«
»Du verstehst eben nichts von Kunst«, sagte er.
»Nein«, antwortete sie. »Eine Tafel Schokolade wäre mir lieber gewesen.«
An Herrn Joachim Seilers Wohnungstür wurde geklopft. Geklingelt.
Geklopft. Mit Fäusten geklopft.
»Ich komme ja schon!« rief der junge Mann. »Eile mit Weile!« Er durchschritt die Diele und blickte durch das Guckloch in der Tür.
Der Treppenabsatz draußen war mit entschlossen dreinblickenden Männern angefüllt.
»Wer ist da?« fragte er.
»Kriminalpolizei! Aufmachen!«
»Sofort!« antwortete der junge Mann, schob die Sicherheitskette aus ihrem Scharnier heraus, schloß die Tür auf und öffnete sie einen Spalt breit. »Bitte schön?«
Einer der Beamten zeigte ihm eine metallene Marke. »Kriminalpolizei! Sie stehen in dem dringenden Verdacht, eine Holbein-Miniatur, die Herr Steinhövel in Kopenhagen ersteigert hat, gestohlen zu haben.«
Ein andrer der ernsten Männer stellte einen Fuß in die Wohnung, damit Seiler die Tür nicht zuschlagen konnte. Und ein dritter sagte dumpf: »Haussuchung!«
»Da kann man nichts machen«, meinte der Wohnungsinhaber.
»Ich habe allerdings keine blasse Ahnung, was Sie von mir wollen.
Aber ich will Sie an der Ausübung Ihrer Pflicht nicht hindern.«
»Können Sie auch gar nicht«, knurrte einer der vielen Männer und trat ein.
Die Diele füllte sich mit etwa anderthalb Dutzend Personen. Jemand öffnete kurzerhand die Tür zum hinteren Zimmer, blickte hinein und schrie plötzlich: »Da liegt ja das Päckchen!« Er rannte auf den Tisch zu.
Seine Kollegen folgten ihm hastig.
Einen Augenblick lang stand Herr Joachim Seiler allein in der Diele. Eine halbe Sekunde später stürzte er zur Zimmertür, schlug sie krachend zu und drehte den Schlüssel zweimal herum!
Dann lief er ins Arbeitszimmer. Zum Telefon. Hob den Hörer ab, stellte die Verbindung mit dem Überfallkommando her und sagte leise: »Hier Kantstraße 177. Vorderhaus, vier Treppen. Jawohl.
Kommen Sie sofort! Es ist sehr dringend. Zwei Dutzend Beamte dürften nötig sein. Mindestens!« Er hängte ein, ging in die Diele und setzte vor dem Garderobenspiegel seinen Hut auf.
Die Kriminalbeamten, die er eingeschlossen hatte, trommelten wütend gegen die Tür. »Machen Sie sofort auf!« wurde gebrüllt.
»Unglaublich! Die Polizei einzusperren! Öffnen Sie! Das werden Sie noch bereuen!«
Der junge Mann erwiderte nichts. Er verließ auf Zehenspitzen seine Wohnung und schloß von draußen sorgfältig ab. Dann fuhr er mit dem Lift bis ins Erdgeschoß und läutete beim Portier.
»’n Tag, Herr Seiler«, sagte der Portier. »Was soll’s denn sein?
Tropft die Wasserleitung? Oder ist eine Sicherung durchgebrannt?«
»Nein, Herr Stiebel«, meinte der junge Mann und drückte dem Hauswart einen Schlüsselbund in die schwielige Rechte. »In wenigen Minuten wird das Überfallkommando vorfahren. Seien Sie so nett, und geben Sie den Beamten meine Schlüssel, ja? Sie sollen das hinterste Zimmer beaugenscheinigen. Aber nicht ohne Schußwaffen!«
Stiebel, der Portier, sperrte Mund und Nase auf.
»Und noch eins«, bat Herr Seiler. »Achten Sie darauf, daß man Ihnen die Schlüssel zurückgibt. Ich habe keine Lust, im Hotel zu übernachten.« Weg war er!
Stiebel steckte die Schlüssel ein und wußte nicht, was er von dem Gespräch mit dem Mieter aus der vierten Etage halten sollte. »Es ist ein Elend«, murmelte er endlich. »So jung, und schon so verrückt.«
Aber er blieb doch vorsichtshalber im
Weitere Kostenlose Bücher