Kater mit Karma
missbrauchen konnten), oder sie könnte mich an einen anderen Chirurgen überweisen. Ich entschied mich für Letzteres, auch wenn das bedeutete, dass ich mich wieder auf jemand Neuen einstellen musste.
Des Weiteren musste ich überlegen, ob ich mich einer Brustrekonstruktion unterziehen wollte. Philip war nach wie vor ein »jüngerer Mann«, auch wenn die acht Jahre, die uns trennten, nach fast zwanzig Ehejahren an Bedeutung verloren hatten. Ich wollte den Schock über eine massive Veränderung meines Körpers möglichst gering halten – für uns beide, offen gestanden.
Ein Silikonimplantat war die einfachste Variante. Alternativ konnte ich ein komplizierteres Verfahren wählen, bei der die Speckrolle, die es sich um meinen Bauch herum gemütlich gemacht hatte, zum Aufbau einer neuen Brust benutzt wurde. Kurvenverschiebung. Hörte sich gut an.
Eine Schönheitschirurgin zeigte uns Fotos. Sie war stolz auf ihre Werke, die für das ungeübte Auge aussahen wie Schlachtfelder aus dem Ersten Weltkrieg. Sie konnte Brustwarzen aus Zehen machen, aus Ohren, kurzum, aus allem. Sie konnte Muskeln aus dem Rücken schnippeln und sie zu einer Brust zusammenflicken, allerdings verwendete sie lieber Implantate.
Ich wollte einen Chirurgen, der Bauchspeck in Brustfett verwandelte. Wir fanden ihn am anderen Ende der Stadt. Greg hatte viele internationale Konferenzen besucht und sich auf dieses alchemistische Verfahren spezialisiert. Seine Fotos machten einen nicht ganz so blutrünstigen Eindruck wie das Portfolio seiner Kollegin – vielleicht war er aber auch einfach nur der bessere Fotograf.
Ich wurde Expertin in der Begutachtung von Chirurgenhänden. Die von Greg mit ihren kurzen Fingern und den Sommersprossen stärkten mein Vertrauen. Er war stämmig und jungenhaft und für einen Chirurgen ziemlich gesprächig. Mit seiner blassen Haut und den rötlichen Haaren hätte er in einem früheren Leben ein schottischer Dudelsackspieler sein können. Ich mochte ihn auf Anhieb.
Für eine Mastektomie plus Rekonstruktion, so erklärte man mir, waren drei Chirurgen und mehrere Assistenten nötig, sechs bis acht Stunden unter dem Messer und eine Rekonvaleszenzzeit von drei Monaten (vorausgesetzt, die Patientin war eine zwanzigjährige Olympionikin mit einer unglaublichen Schmerztoleranz, wie mir später klar wurde). Greg würde quer über meinen Bauch eine Narbe in der Form eines Lächelns hinterlassen, die praktischerweise so tief saß, dass ich immer noch einen Bikini tragen könnte. Ha ha.
Gleichzeitig wollte er meine linke Brust verkleinern, damit die beiden Brüste zueinanderpassten. Die Narben würde er geschickt verstecken.
Ich begann in meiner Entscheidung zu wanken. Greg sprach weniger von einer Restaurierung als von einem kompletten Umbau meines Körpers. Mich einer solchen Prozedur zu unterziehen wäre gleichbedeutend mit einem Triathlon aus Bungee-Springen, Everest-Besteigung und der Teilnahme am Finale der Rugby-Weltmeisterschaften.
»Wir leben in einer auf Brüste fixierten Gesellschaft«, sagte Greg.
Unsinn , dachte ich. Auf der Heimfahrt musste ich an einer Ampel halten und entdeckte dabei eine Skulptur, die mir noch nie aufgefallen war. Sie bestand komplett aus Betonbrüsten.
Auf dem Küchentisch lag eine DVD über Brustrekonstruktionen. Ich war nicht besonders erpicht darauf, sie mir anzusehen. Offensichtlich würde es länger dauern, mich von der Rekonstruktion zu erholen als von der Mastektomie selbst. Aber auch wenn ich nicht Pamela Anderson war, hatte ich keine Lust, für den Rest meiner Tage als Amazone herumzulaufen.
Gemeinsam mit Philip sah ich mir die DVD an und musste ein paarmal nach Luft schnappen. Wie konnten diese Frauen so fröhlich über einen derart massiven Eingriff an ihrem Körper sprechen?
Vielleicht sollte ich doch auf die Rekonstruktion verzichten. Aber dann erinnerte ich mich an eine Freundin, die mir erzählt hatte, sie sei am Boden zerstört gewesen, als sie nach ihrer Mastektomie aufwachte und an der Stelle, wo einmal ihre Brust gewesen war, einen riesigen leeren Fleck sah. Die Rekonstruktion mochte einen physischen Kraftakt darstellen, aber sie konnte mir vielleicht ein psychisches Trauma ersparen.
Lady Gaga, Angelina Jolie und Königin Elisabeth II. zum Besuch derselben Wohltätigkeitsveranstaltung zu bewegen konnte nicht schwerer sein, als drei Chirurgen zur gleichen Zeit in einem Operationssaal zu versammeln. Die Ärzte blätterten endlos in ihren Kalendern herum, bis sie endlich
Weitere Kostenlose Bücher