Kater mit Karma
Nase, schnupperte noch einmal daran und schüttelte angewidert den Kopf. Mit einem gezielten Tritt eines seiner langen Hinterbeine kippte er die Milch über dem Teppich aus.
Mary stand auf, um einen Lappen aus der Küche zu holen. Lydia wollte Jonah vor der Flut retten, doch bevor sie ihn erreicht hatte, galoppierte er durchs Zimmer und kletterte blitzschnell den Vorhang hinauf.
»Hierher, mein Kleiner«, rief ich.
Jonah hielt einen Moment inne, als müsste er über die Aufforderung nachdenken. Dann kniff er die Augen zusammen, stieß sich ab, segelte wie ein Trapezkünstler durch die Luft und landete auf der Anrichte.
Die Anrichte war Mitte der Achtziger von einem Amateurhandwerker in den Tiefen des neuseeländischen Buschs aus Kauri-Holz zusammengezimmert worden und im Lauf der Jahre für Generationen von Holzwürmern zum Hotel mit Vollpension geworden. Jedes Mal wenn ich eine Schublade aufzog, erinnerte mich das rieselnde Holzmehl daran, dass die Anrichte dem Zusammenbruch wieder einen Tag näher gerückt war. Einmal hatte ich den Versuch unternommen, sie von einem »Restaurateur«, der uns einen Handzettel in den Briefkasten geworfen hatte, herrichten zu lassen. Als er sie zurückbrachte, stank sie nach Zigaretten und Alkohol und war in einem noch erbärmlicheren Zustand als vorher. In die unteren Fächer hatten wir Fotoalben gelegt, damit sie nicht so wackelte. In den Aufsatz stellten wir unsere besten Weingläser, weil sie leicht waren und das gute Stück nicht so schnell zum Einsturz bringen würden.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war ein verrückter Kater, der sich auf den Aufsatz plumpsen ließ. Die Gläser klirrten bedenklich.
Lydia stieg auf einen Küchenstuhl und versuchte Jonah dazu zu bewegen, in ihre Arme zu springen. Er blickte auf sie herunter und rührte sich nicht vom Fleck. Seufzend ging Lydia hinaus in den Garten und holte die Leiter aus dem Schuppen. Interessiert sah Jonah ihr dabei zu, wie sie die Leiter vorsichtig erklomm und die Hand nach ihm ausstreckte.
Kurz bevor sie ihn zu fassen bekam, machte er einen Satz und warf dabei die Sektkelche um. Sie fielen auf die Rotweingläser, die in die Weißweingläser krachten, die ihrerseits die Sherrygläser zerschmetterten, aber die hatte seit 1970 sowieso keiner mehr benutzt.
»Wirklich schade, dass ich morgen fahre«, sagte Mary, als Jonah auf die Arbeitsplatte sprang, es klang allerdings nicht ganz aufrichtig.
Der Kater in Kombination mit den zerbrochenen Gläsern und meiner postoperativen Erschöpfung war auf einmal mehr, als ich ertragen konnte. Wie hatte ich mich nur von ihm einwickeln lassen können, ganz zu schweigen davon, ihm auch noch einen Namen zu geben. Ich schleppte mich ins Schlafzimmer, schloss die Tür, kroch ins Bett und schlief ein.
Glöckchengebimmel und ein unbekanntes Quietschen weckten mich. Lydia öffnete die Schlafzimmertür und herein stürmte Jonah mit der Angel zwischen den Zähnen. Er sprang auf die Bettdecke, verfehlte dabei um Haaresbreite die schmerzhaftesten Stellen an meinem Körper und ließ die Angel in meine Hand fallen.
»Er will spielen«, sagte Lydia. »Und ich muss Mary mit dem Abendessen helfen. Kann ich ihn bei dir lassen?«
Mit meinem kräftigeren linken Arm hob ich die Angel hoch und schwenkte sie über meine Oberschenkel. Das Glöckchen bimmelte, als Jonah dem falschen Vogel nachsprang und ihn mit den Zähnen packte. Seine Reaktionen waren unglaublich schnell. Ich schwang die Angel in die entgegengesetzte Richtung. Es war ebenso beeindruckend wie lustig anzusehen, wie er einen Satz machte und sich den Vogel mitten in der Luft schnappte. Je schneller ich die Angel schwang, desto schneller wurde Jonah. Ich ließ den Vogel einen Meter hoch in die Luft schnellen, und er sprang in die Höhe und drehte eine Pirouette wie eine Ballerina. Eine aufgezogene Katze im Turbogang, fing er den Vogel jedes Mal.
Binnen kurzem war ich völlig erschöpft, Jonah nicht. Er wollte weiterspielen. Als ich die Angel weglegte, hob er sie mit den Zähnen auf und drückte sie mir wieder in die Hand. Glücklicherweise kam Katharine von der Schule nach Hause und war Jonah sofort verfallen.
»Ooooooh, Mum! Ist der süß!«, rief sie. »Darf ich ihn kurz mitnehmen?«
Meinetwegen auch für immer! Sie nahm ihn auf den Arm und ging mit ihm hinaus, und dabei schwor sie, sich bis in alle Ewigkeit um sein Futter und das Katzenklo zu kümmern.
Zur Feier ihres letzten Abends bei uns zauberte Mary ein köstliches Mahl mit
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