Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Welt, in der er seit einer Woche lebte, so zu sehen wie an dem Tag, als er Thekla verabschiedet hatte. Beeindruckt, aber unbeteiligt. Es gelang ihm nicht. Und als er wiederum unter Nicos Fenster stand, beneidete er die alte Krebs um ihre Erinnerungslücken.
Oben in der Wohnung verhängte er alle Fenster, die auf die Straßenseite hinausgingen. Dann verkroch er sich in seiner Höhle und dachte nach. Aber es war, als ob sein Gehirn von Baugaze verhängt wäre. Die Puzzleteile, die sich im Laufe der letzten sieben Tage angesammelt hatten, lagen breit gestreut vor ihm, sie sprachen für sich, dennoch weigerten sie sich, ein Gesamtbild zu ergeben. Liebermann wusste, dass sie auf etwas warteten. Ein Motiv. Er stand auf und ging zur Pinnwand. Irgendwo, irgendwo.
Er fragte sich, ob er seinem Denkvermögen mit einem verfrühten Bier auf die Sprünge helfen sollte. Die Antwort lautete nein. Es war keins mehr da.
Als er sich zu einem weiteren Besuch im Keller durchrang, rief Uwe an.
»Susanne Berlich hat ihr Geständnis unterschrieben. Wird wohl auf Totschlag hinauslaufen.«
»Gut.«
»Hm. Ich bin mir nicht sicher. Weißt du, was ich gerade denke? Dass sie vielleicht auch die Olbinghaus auf dem Gewissen hat. Ihren Mann und dessen Geliebte. Mir kommen ihre Gründe, aus denen sie Berlich an die Havel gefolgt sein will, ein wenig schwammig vor. Und wer sagt uns, dass Charlotte Olbinghaus sie nur angerufen hat. Sie war in Potsdam, als Berlich zu seiner Laudatio unterwegs war. Sie kann ohne weiteres auf einen Sprung zu seiner Frau gegangen sein. Dort hat sie sich in bekannter Weise über Berlich ausgelassen, den Bogen überspannt, und Susanne Berlich hat rotgesehen. Hattest du nicht was von einer Rose in ihrem Auto erzählt?«
Liebermann ließ sich die Theorie durch den Kopf gehen. Sie war schlüssig. Aber sie passte nicht. »Lass sie in Ruhe!«, sagte er.
»Wie bitte?«
An der Erschütterung in Uwes Stimme erkannte Liebermann, dass er schroffer als beabsichtigt geklungen hatte.
»Susanne Berlich hat gerade nach ein paar anstrengenden Tagen ein Geständnis abgelegt«, sagte er etwas milder. »Außerdem erklärt deine Geschichte die Rosen nicht. Wieso hätte sie eine davon in Charlotte Olbinghaus’ Cabrio legen sollen, um es dann aus unserem Gesichtsfeld zu schaffen. Ich glaube auch nicht, dass Susanne Berlich etwas vom Verhältnis ihres Mannes mit Charlotte Olbinghaus wusste, bis wir es ihr gesagt haben.«
»Du denkst immer noch, dass Berlich die Olbinghaus verschwinden lassen hat?«
»Eher er als seine Frau.«
»Aber Berlich ist tot.«
»Das ist unser Pech.«
»Wenn er sie nun irgendwo eingesperrt hält?«
»Unsinn, denn irgendwann müsste er sie wieder freilassen, und dann würde sie sich immer noch rächen wollen. Er hat durch sie den alten Olbinghaus erpresst und sie wie einen Apfelgriebsch fallen lassen, als sie dahinterkam. Vergiss das nicht. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich dafür zunächst an seinen Rosen gerächt hat und ihm nach dem missglückten Interview nach Rheinsberg gefolgt ist. Siehe Möwen. Das Treffen ist außer Kontrolle geraten, und dann bumm.«
»Bumm?«, fragte Uwe verwirrt. »Und das Auto?«
Liebermann fuhr sich über die Augen und suchte auf der Pinnwand nach der entsprechenden Notiz. »Sie könnte mit dem Zug gefahren sein«, sagte er unsicher. »Vielleicht hatte sie vorher was getrunken.«
Uwe beließ es bei einem neutralen »Aha«. Etwas später fügte er hinzu: »Reden wir eigentlich von Charlotte Olbinghaus oder von ihrer Leiche?«
»Ich für meinen Teil rede seit geraumer Zeit von einer Leiche«, sagte Liebermann müde.
»Dafür gibt es genau genommen aber noch immer keinerlei Anhaltspunkte.«
»Doch keine Wellen. Nicht mal ein leichtes Plätschern, nichts. Sie ist tot, und ich rede Unsinn. Das liegt an den Kopfschmerzen.«
»Kopfschmerzen?«, fragte Uwe mit plötzlich veränderter Stimme. »Was sind das für Kopfschmerzen? Dröhnende oder stechende? Eher im Stirnlappen oder im Nacken? Leidest du auch unter Schüttelfrost? Wenn ja, geh sofort zum Arzt! In Charlottenburg gab es zwei Fälle von Meningitis.«
Liebermann seufzte. »Hör auf zu arbeiten, und geh nach Hause!«, sagte er. »Es ist Wochenende.«
Nachdem er den aufgeregten Kommissar Schüler sich selbst überlassen hatte, starrte Liebermann auf den Vorhang des Wohnzimmerfensters und massierte seine Schläfen. Er hatte das Auto vergessen. Er stand auf und lief wie ein Tiger mehrere Runden um den Teppich, ehe er sich
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