Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
zugange, als eine Frau durch die Einfahrt seines Hauses kam und sich zu seiner Verblüffung ebenfalls daranmachte, das Gerüst zu erklimmen. Er lässt augenblicklich alles stehen und liegen und haut über die höchstgelegene Gerüstebene zum Nachbaraufgang ab, wo er dann wieder runter ist in den Nebenhof. Von dort hört er just in dem Moment, als seine Zehen festen Boden berühren, nebenan etwas auf den Boden schlagen. Und als er über den Zaun späht, liegt dort die Unbekannte in einem Kräuterbeet und regt sich nicht. Er meint, er habe gleich gesehen, dass sie tot sei. Und nicht nur das: neben ihr lag eine der Streben, an deren Befestigung unser Saboteur gerade herumgeschraubt hatte. Da hat er es mit der Angst gekriegt.«
»Verständlich.« Liebermann blinzelte. Es gab keinen Goran Flatic in Uwes Geschichte. »Und was hat er in seiner Angst getan?«
»Er hat die Leiche der Frau im Hof dieser Kneipe verscharrt, wo er für den Wirt gerade eine Terrasse anlegt.«
Stumm sah Liebermann seinen Stellvertreter einen wohlverdienten Schluck Kaffee trinken. Auch sein Mund war schon wieder trocken, aber er musste warten.
»Warum hat er sich jetzt gemeldet?«
Uwe zuckte die Schultern. »Sein Gewissen, sagt er. Er konnte den Rhododendron auf dem Grab nicht mehr sehen, ohne dass ihm übel wurde. Ein Spinner, wenn du mich fragst. Ein armer Spinner, der bei diesen Temperaturen mit einer Wollmütze herumläuft. Obwohl!«
Alarmiert richtete Liebermann sich auf.
»Er hat der Olbinghaus vor der Bestattung das Kleid ausgezogen.«
»Tatsächlich«, murmelte Liebermann.
»Er sagt, dass es der Länge nach aufgerissen gewesen wäre. Vielleicht unterwegs irgendwo am Gerüst hängengeblieben. Hat sich dauernd verheddert, sagt er, da hat er es ausgezogen. Aber warum hat er es dann nicht wenigstens zusammen mit ihr bestattet?«
»Ja. Wo ist es jetzt?«
»Verbrannt.« Uwe trank seinen Kaffee aus und stand auf.
»Vielleicht kannst du ihn dir noch mal vornehmen, wenn du deine Migräne überwunden hast.«
Es dauerte eine Weile, bis Liebermann die Bemerkung seines Stellvertreters in ihrer Gänze erfasst hatte. »Wer sagt, dass ich Migräne habe?«, fragte er betroffen.
»Deine Krankenschwester.« Uwe grinste.
»Na ja. Ich muss los. In zwei Stunden beginnt die Vernissage von Selma Balthasars Ausstellung. Marion und ich wollten uns das mal ansehen. Schönen Gruß vom Olbinghaus, fällt mir dabei ein.«
»Danke. Wie geht es ihm?«
»Er trägt es mit Fassung. Vermutlich hilft unsere Selma ihm dabei. Woher hattest du übrigens die Liste mit den Sachen seiner Frau, die du ihm geschickt hast?«
»Ich habe Charlotte Olbinghaus an jenem Freitagabend gesehen, falls du dich erinnerst«, sagte Liebermann. »Sie hat einen starken Eindruck auf mich gemacht. Aber keinen bleibenden. Es war nur eine Liste. Mit einer Liste sucht es sich besser.« Uwe und Marion gemeinsam auf einer Ausstellung? Es geschahen noch Zeichen und Wunder.
Nico kam herein und räusperte sich.
»Eine strenge Krankenschwester hast du da«, sagte Uwe.
Liebermann fing sich einen Blick von ihr. »Ja«, sagte er. »Aber nach Feierabend ist sie ganz normal.«
Er hörte, wie Nico seinen Stellvertreter im Flur verabschiedete und die Tür hinter ihm schloss. Danach kam sie wieder zu ihm herein. In ihrem Gefolge befand sich niemand Geringeres als Nils.
»Ich musste ihn in der Küche verstecken, bis dein Kollege weg ist«, sagte sie. »Ich war mir nicht sicher, wie er es aufnehmen würde, den Typen, der eben noch bei ihm ein Geständnis abgelegt hat, plötzlich unter den Krankenbesuchern seines Vorgesetzten zu finden.«
Mit zwei großen Schritten gelangte der Hausmeister an Liebermanns Bett und streckte ihm einen langen, dünnen, in Geschenkpapier gewickelten Gegenstand entgegen. Er wirkte ein wenig hagerer als sonst, aber sein Grinsen war so breit wie je.
»Hallo, Bulle!«
»Hallo, Hausmeister. Was machst du hier? Ich denke, du steckst hinter den Mauern der Kadis.«
Nils zuckte die Achseln.
»Keine Fluchtgefahr bis zum Verhandlungsbeginn. In erster Linie bin ich Hausmeister, erst in zweiter Krimineller.«
»Warum du?«
Nils nahm bedächtig seine Mütze ab und stülpte sie über eine seiner Fäuste.
»Warum nicht? Ich bin der Einzige, der in den Knast gehen kann, ohne dass sich jemand die Augen ausheult. Außerdem werden Hausmeister überall gebraucht.« Er räusperte sich und nickte zu seinem Geschenk hinunter. »Willst du nicht auspacken?«
Umständlich begann
Weitere Kostenlose Bücher