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Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold

Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold

Titel: Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Anlauff
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ausrangierte Bänke der S-Bahn. Die Luft war stickig, obwohl Liebermann an der Decke einen Ventilator rotieren sah. Es war voll. Und laut. Liebermann fragte sich, wie die Gäste des Katinkas sich wohl verständigten, wenn sie einmal nicht so gut bei Stimme waren. Vielleicht schrieben sie sich Botschaften auf ihre Bierfilze, denn eine normale Unterhaltung musste in den mehr oder minder melodiösen Botschaften von »The Clash«, die durch den Nebel bebten, zwangsläufig untergehen.
    Liebermann mochte »The Clash«. In den verwirrten Phasen seiner Jugend hatten sie ihn einige Male im letzten Moment aus einer drohenden Melancholie gerettet. Er mochte auch den Lärm, der ihm die Möglichkeit gab, unauffällig zu bleiben, selbst wenn er es wagen sollte, jemanden anzusprechen. Sein Samariter und das Mädchen kehrten eben an Nicos Tisch zurück und ließen Zigaretten herumgehen. Nils’ Feuerzeug blitzte auf.
    Der Anblick des Hausmeisters löste in Liebermann eine leichte Gereiztheit aus. Mit welch unverfrorener Selbstverständlichkeit er sie angelacht hatte! So etwas mochten die Frauen. Es war so einfach, dass selbst ein Hausmeister es hinbekam. Und er, der studierte Hauptkommissar, hatte versagt. Vor Liebermanns Auge tauchten, wie so oft in den letzten Tagen, kupferfarbene Locken auf, ein straffer Torso, der in endlose Beine überging. Ihre Eigentümerin schwebte über das Bürgersteigpflaster. Sie leuchtete, wie Frauen nur im Sommer leuchten. Aber Liebermann war sich ohnehin sicher, dass sich der Sommer und Charlotte Olbinghaus gegenseitig bedingten. Er folgte dem Nachhall des regelmäßigen Klackens hoher Absätze und stieß gegen einen Barhocker. Wie wäre ihre Begegnung verlaufen, wenn er Charlotte Olbinghaus auf die gleiche Weise angelacht hätte wie Nils eben Zyras Mutter, statt ihr zu demonstrieren, dass er gerade den aufrechten Gang entdeckt hatte? Vielleicht wäre sie geblieben. Vielleicht wäre sie wiedergekommen. Oder hätte ihm wenigstens ein Zeichen hinterlassen. Liebermann sperrte hastig die Ohren auf, damit so viel »Clash« wie möglich hineinpasste.
    »Was darf’s sein?«
    Vor ihm stand ein Mädchen mit lackschwarzen Zöpfen, die sich geschmeidig um ihren Kopf legten. Einen Moment lang glaubte Liebermann, einer Reinkarnation der jugendlichen Frida Kahlo gegenüberzustehen. Dann bemerkte er ihre blauen Augen.
    Frida Kahlo hob erwartungsvoll die Brauen und ließ mit einer leichten Bewegung ihres umkränzten Kopfes zwei Ohrringe aufblitzen, die er schon einmal gesehen hatte. Er wischte die Erinnerung weg. Weg mit seiner Niederlage, weg mit dem Lehmklumpen in seinem Kopf. Er war in einer Kneipe, und vermutlich trug jede dritte Frau in diesem Jahr goldene Reifen in den Ohren. Ihm fiel ein, dass selbst Marion ein solches oder zumindest ein ähnliches Paar besaß. An ihr wirkten sie nur nicht so wie an Charlotte oder dieser südlichen Schönheit, sie sahen dünner und blecherner aus, wie auch Marion dünner und, na ja, blasser aussah als die beiden. Das alles waren Gedanken, die in einem Wort mündeten: »Bier.«
    Das Mädchen ging zur Seite, um den Blick auf einen riesigen Kühlschrank freizugeben. »Beck’s, Rex, Hasseröder, Tannenzäpfle«, ratterte sie herunter.
    Liebermann zuckte die Schultern. »Tannenzäpfle kenne ich nicht. Können Sie das empfehlen?«
    »Die Gäste mögen es«, sagte sie. »Ich trinke kein Bier.«
    Liebermann tippte auf Rotwein. Schwer und beerig. Er bestellte, was die Gäste mochten. Das Mädchen nahm die Flasche aus dem Schrank und klickte sie mit einer routinierten Handbewegung auf.
    »Ist es hier immer so voll?«
    Sie schob ihm die Flasche zu. »Nur abends.«
    Wahrscheinlich, weil sie dann hier arbeitete, dachte Liebermann und nahm sein Tannenzäpfle nach einem letzten Blick auf ihre Ohren, den Schmuck daran und das gewagte Dekolleté in Empfang. Als er auf der Suche nach einem Platz am Tisch des Hausmeisters vorbeikam, bemerkte ihn das Mädchen mit der unromantischen Frisur.
    »He«, sagte sie. »Geht’s wieder?«
    Ihre Worte bewirkten, dass auch die anderen auf ihn aufmerksam wurden. Nico grinste ihm entgegen. »Liebermann. Suchst du Gesellschaft?«
    »Ich suche einen Platz«, sagte Liebermann.
    Sie wies auf einen zehn Zentimeter breiten Spalt zwischen dem Mädchen mit der Frisur und einem Jüngling in Rollkragenpullover. »Das wäre vielleicht ein Anfang.«
    »Ich will nicht stören.«
    »Du störst nicht«, sagte Nico. Und zur gegenüberliegenden Bank: »Schiebt euch mal ein

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