Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
dieser Garten war bis zum Überdruss gepflegt. Er ödete Liebermann, der die Hälfte seiner Kindheit auf dem Land verbracht hatte, an. Wenn man sich für auf Kante gelegte Kleidung und Brettspiele interessierte, bei denen es darum ging, jeden Zug pedantisch zu berechnen, gut. Aber es stieß ihn ab, wenn jemand dieselben Maßstäbe an die Natur legte.
Hinter den Fliederbüschen blieb alles ruhig. Nur eine schwarze Katze schnupperte unter einem der gestutzten Büsche herum. Als sie ihn bemerkte, ging ein Zucken durch ihren drahtigen Körper. Eine Sekunde später war sie hinter dem Haus verschwunden. Auch gut. Keine Spur von einem Cabrio oder sonst einem Wagen. Man war nicht da oder gab sich abwesend. Vielleicht war es ohnehin besser, wenn Marion oder Uwe sich um die Sache kümmerten. Sie würden nicht versuchen, dem Mann, der im Zentrum dieses Gartens lebte, schon bei der Begrüßung die Hand zu brechen.
Liebermann hatte Lust, eine der beiden knospenden Rosen zu pflücken, die in Armeslänge an dem sorgsam gemulchten Rosenstämmchen wuchsen. Für Miri.
Seine Hand machte sich auf den Weg. Gleich darauf kehrte sie unverrichteter Dinge wieder zu ihm zurück. Stattdessen presste er sich an den Zaun, um den Rosenstock besser in Augenschein nehmen zu können. Rund um die beiden Knospen entdeckte er Strünke unterschiedlicher Länge. Es sah aus, als ob hier unlängst eine gierige Schere gewütet hätte. Nur diese zwei hatten den Kahlschlag überlebt. Vielleicht waren es Nachzügler gewesen, zu wenig entwickelt für einen Strauß. Liebermann bohrte seine Augen in sie hinein, auf dass sie mit einer amöbenhaften Erinnerung verschmolzen. Thekla mochte Rosen. Aber sie bevorzugte die klassische rote Variante. Diese hier waren nicht rot, sondern gelb, mit nur einer zartroten Maserung, die sich zu den noch geschlossenen Kelchen hin ein wenig verdichtete. Rosen wie diese gab es nicht bei jedem Floristen. Von der Turmuhr der nahen Erlöserkirche schlug es sechs. Behutsam zog Liebermann seinen Block aus der Tasche. Er bekam Lust auf ein Bier, das ihm beim Nachdenken helfen würde.
»Darf Zyra morgen zu mir?«
»Darf ich heute Abend ein Bier trinken gehen? Ich nehme das Handy mit, dann kannst du mich anrufen, falls etwas ist.«
»Wenn ich bei dir im Bett schlafen darf.«
»Gut.«
»Und Zyra?«
»Okay. Willst du nichts mehr essen?«
»Ich hab schon.«
»So«, machte Liebermann indigniert. »Was gab es denn?«
»Langnase.«
»Wie?«
»Langnase. Ich glaube, Zyras Mama findet dich gut.«
»Ach, hör auf!«
»Wie findest du sie?«
Liebermann schob eine verbrannte Bratkartoffel an den Tellerrand. »Ganz nett. Trink wenigstens deinen Tee, und dann ab ins Bad!«
Kommissarin Marion Allhorn stand im Badezimmer und seufzte. In der Hand hielt sie ein Mittel, das dem Geruch nach nicht nur die Läuse, die möglicherweise vom Scheitel ihres Sohnes auf den ihren übergesiedelt waren, mit dem Leben bezahlen würden, sondern im schlimmsten Fall sie selbst. Aber nach zwei Stunden Kampf gegen störrisches Jungenhaar war ihr Lebenswille ohnehin erlahmt. Sie seufzte noch einmal, dann tupfte sie sich einen Tropfen Eau de Cologne unter jedes Nasenloch und begann ihr giftiges Werk. Als sie am Nacken ankam, klingelte ihr Handy. Hastig schälte Marion sich aus den Plastikhandschuhen und warf sie in die Badewanne. Sie kam gerade noch rechtzeitig, bevor sich die Mailbox einschaltete.
»Allhorn?«
»Entschuldigen Sie die späte Störung.«
Marion sank auf den Rand der Wanne. Das Gehäuse des Telefons saugte sich an ihre Haut. Es war, als suche es wie sie Halt vor der Wärme dieser tiefen Stimme.
»Mit wem spreche ich?«, stotterte sie.
»Mein Name ist Berlich. Sie waren so freundlich, mir Ihre Nummer zu hinterlassen.«
Mit einem Ruck kam Marion zu sich. »O ja. Herr Berlich. Schön, dass Sie zurückrufen. Ich habe versucht, Sie zu erreichen, weil ich ...«
»Während der Arbeit«, sagte die Stimme, »gehe ich nicht ans Telefon.«
»Kann ich vollkommen verstehen«, hauchte Marion und hielt sich am Rand der Badewanne fest. Aus ihren Nackenhaaren löste sich ein Tropfen zäher Flüssigkeit und landete in ihrem Kragen, wo er begann, sich langsam abwärtszubewegen.
»Wenn Sie so anhaltend versuchen, bei mir anzurufen, nehme ich an, dass Sie einen Schritt weitergekommen sind«, sagte Stefan Berlich sanft. »Es erschließt sich mir nur nicht, warum diese vergleichsweise nichtige Angelegenheit an das LKA Berlin übergeben wurde.«
Marion
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