Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Busses.
»Warum fragst du? Willst du helfen, Lektor?«
»Ich würde gern, aber dann bezahlt meine Kasse die nächste Arztrechnung nicht.«
»Ach ja«, sagte Jürgen mitleidig. »Du hast es am Rücken.«
Ein wenig pikiert darüber, wie schnell seine Gebrechen sich herumsprachen, fragte Liebermann: »Was macht ihr hier?«
Jürgen stippte Asche auf den Bürgersteig. »Willst du’s mal sehen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er Liebermann voran. Auf halbem Wege trafen sie Nils mit der leeren Sackkarre.
»Der Lektor will sich mal die Terrasse ansehen.«
Nils runzelte die Stirn. »Warum?«
»Warum nicht? In einer Woche sieht sie doch ohnehin jeder.«
Jürgen winkte ihn durch das Tor eines weinberankten Zaunes, an dem Liebermann schon einige Male ahnungslos vorbeigegangen war. Mit einem Rums stellte Nils die Sackkarre ab und folgte ihnen.
Als er die Baustelle betrat, beschlichen Liebermann Zweifel daran, dass Jürgen seine Terrasse termingerecht einweihen würde. Das Einzige, was halbwegs fertig war, waren zwei frisch gemulchte Rhododendronbeete. Dazwischen befanden sich Teile eines rudimentären Kopfsteinpflasters. An den Stellen, an denen es aufgebrochen war, stapelten sich kindskopfgroße Steine. Dahinter lag ein zerlegter Schrank.
»Ich lieg seit Jahren im Clinch mit dem Ordnungsamt«, erklärte Jürgen.
»Im Sommer sitzen die Gäste gern an Tischen auf dem Bürgersteig.«
»Verständlich«, sagte Liebermann.
»Ist bloß nicht erlaubt. Das kann mich die Lizenz kosten. Aber dreimal darfst du raten, was passiert, wenn ich draußen sitzen verbiete!«
Jürgen warf seine Kippe auf einen frischen Sandhaufen am Rand der Baustelle. »Zuwachs für Frank von der Strandbar, drüben an der Havel. Nicht, dass ich’s ihm nicht gönne. Hab mir früher mit ihm eine Bude geteilt. Aber halbe-halbe, genau wie damals, so ist es ausgemacht. Na ja, Frank kann nichts dafür. Und ich habe bald eine Terrasse. Wie findest du sie?«
»Das, was ich bis jetzt sehen kann, sieht ordentlich aus«, sagte Liebermann diplomatisch. »Aber warum arbeitest du von außen nach innen?«
Liebermann wies auf die knospenden Büsche auf den Seitenbeeten. Jürgen wechselte einen Blick mit Nils, der immer noch sein Vollstreckergesicht zur Schau trug, und entgegnete: »Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.«
»Aha. Und wonach fallen die?«
»Nach dem Material«, sagte Jürgen und schritt über seine Schutthalde zurück zum Zaun.
Nils blieb. Als Liebermann auf seiner Höhe war, trat er ihm in den Weg.
»Du bist Gast hier, also benimm dich auch so«, sagte er leise. »Lass deine Finger von Sachen, die dich nichts angehen.« Er war rot bis unter den wolligen Rand seiner Mütze.
»Bitte welche?«, fragte Liebermann und spürte, wie ihm ebenfalls das Blut in die Wangen stieg. Nils’ Hände hatten sich geballt, seine Augen ähnelten geschliffenen Bernsteinen. Und Liebermann begriff plötzlich, dass der Hausmeister ihn nicht mochte. Aber weder wusste er warum, noch was sich dagegen tun ließ. Genauso überraschend, wie er sein Bein vorgeschoben hatte, zog Nils es wieder zurück. »Wenn du sie nicht glücklich machst, bringe ich dich um«, sagte er und griff nach seiner Karre.
Serrano kehrte wieder unter den Flieder und zu Bismarck zurück. Er blieb dabei, dass der Geist des Alten noch über den orangefarbenen Blumen schwebte. Was wusste man schon von Geistern? Sie konnten überall sein, sie waren frei, aber wenn Bismarcks Geist auch nur annähernd seinem Besitzer ähnelte, würde er nicht so schnell von seinen Gewohnheiten lassen. Und eine davon war der Flieder.
Picken, hatte Streuner gesagt. Also setzte Serrano sich auf die Bastmatte des Alten und pickte. Zunächst: der Fremde. Der Fremde, denn Toten widersprach man nicht, war kein Katzenräuber. Aber auch vom Privileg der Toten abgesehen, war Serrano inzwischen geneigt, Bismarck zuzustimmen, was das betraf. Streuner war ganz allein und ohne Mitwisser in das Vierrad gekrochen. Unter eine Haut allerdings, die der Fremde darübergespannt hatte, vermutlich, um es gegen denselben Regen zu schützen, der Streuner daruntergetrieben hatte. Aber der Fremde führte das Unheil wie einen Hundeschiss mit sich, da brauchte Streuner sich nicht zu wundern: Wenn er unter dessen Häute kroch, konnte es passieren, dass er sich plötzlich fünf Tagesmärsche von daheim wiederfand. Blieb die Frage, warum der Fremde das Vierrad überhaupt geschützt hatte. Sein eigenes war blau, Serrano hatte ihn damit
Weitere Kostenlose Bücher