Katharina von Medici (German Edition)
meinen Arm um den Affen schlang, der seinen Schmuck bildet.«
»Und was habt Ihr gesehen, mein Herz?« fragte Marie erschreckt.
»Ein Versteck, wo die Werke der Finsternis hergestellt werden«, antwortete der König. »Der erste Gegenstand, worauf mein Blick fiel, war ein hoher, auf einem Stuhle sitzender Greis. Einen prächtigen weißen Bart trug der wie der alte l'Hôpital, und bekleidet war er wie der mit einem schwarzen Sammetgewande. Auf seine hohe weiße Stirn, in die tiefe Falten eingegraben waren, auf den Kranz seiner gebleichten Haare, auf sein ruhiges und aufmerksames Gesicht, das bleich von Nachtwachen und Arbeiten war, fielen die konzentrierten Strahlen einer Lampe, die lebhaftes Licht spendete. Er teilte seine Aufmerksamkeit zwischen einem alten Manuskripte, dessen Pergament mehrere Jahrhunderte alt sein mußte, und zwei angefachten Öfen, worinnen ketzerische Substanzen kochten. Weder oben noch unten sah man die Täfelung des Laboratoriums, so viele aufgehängte Tiere, Skelette, getrocknete Pflanzen, Mineralien und Ingredientien waren da aufgehängt mit denen auch alle Ecken vollgepfropft waren. Da gab's Bücher, Destillationsinstrumente, mit astrologischen – und Zaubergeräten vollgestopfte Truhen, dort Nativitätsthemen, Phiolen, behexte Wachsfiguren und vielleicht die Gifte, mit denen er René versorgt, um Gastfreundschaft und Schutz zu bezahlen, den meiner Mutter Handschuhmacher ihm gewährt. Tavannes und ich – das versichere ich dir – sind durch den Anblick des Teufelsarsenals mächtig gepackt worden; denn allein vom Sehen schon steht man wie unter einem Bann, und wäre ich meinem Metier nach nicht König von Frankreich, ich hätte Bange gehabt. ›Zittre du für uns beide‹, hab' ich zu Tavannes gesagt. Tavannes Augen aber waren durch das geheimnisvollste der Schauspiele verführt. Auf einem Ruhebette, zu des Greisen Seiten, lag ein Mädchen von außergewöhnlicher Schönheit ausgestreckt. Schmal, zart und lang war sie wie eine Natter, weiß wie ein Hermelin, bleich wie eine Tote und unbeweglich wie eine Statue. Vielleicht ist's ein frisch aus dem Grabe geholtes Weib, das zu irgendwelchem Experimente dienen sollte; denn sie schien uns noch in ihrem Leichentuch zu sein, ihre Augen waren unbeweglich und atmen sah ich sie auch nicht. Der alte Schelm schenkte ihr nicht die geringste Aufmerksamkeit. Ich betrachtete ihn so neugierig, daß sein Geist, glaub' ich, in mich übergangen ist. Dank allem Studieren mußte man schließlich diesen so lebhaften, tiefen, trotz des Eises der Jahre so kühnen Blick und den Mund bewundern, der von den strömenden Gedanken eines heißen einzigartigen Verlangens bewegt ward, das auf seiner Stirn in tausend Falten eingegraben blieb. Alles an diesem Menschen deutete auf Hoffnung hin, die nichts entmutigt, nichts aufhält. Seine Haltung, schauerlich in ihrer Unbeweglichkeit, diese von so sublimer Leidenschaft, welche die Arbeit eines Bildhauermeißels leistet, so sehr durchwühlten Umrisse, der durch einen verbrecherischen oder wissenschaftlichen Versuch in die Enge getriebene Geist, die in den Spuren der Natur forschende Intelligenz, von ihr besiegt und niedergebeugt, ohne unter der Last ihres Mutes, auf den sie nicht verzichtet, zusammengebrochen zu sein, die Schöpfung mit dem Feuer bedrohend, das sie von ihr erhält... all das hat mich einen Augenblick lang fasziniert. Ich fand diesen Greis königlicher als mich, denn sein Blick umspannte die Welt und beherrschte sie. Entschlossen hab' ich mich, keinen Degen mehr zu schmieden, über Abgründen verlangt es mich zu kreisen, wie es dieser Greis tut. Sein Wissen ist mir wie ein sicheres Königreich vorgekommen. Kurz, ich glaube an die okkulten Wissenschaften.«
»Ihr, der heiligen katholischen, apostolischen und römischen Kirche ältester Sohn und Rächer?« rief Marie.
»Ich!«
»Was ist Euch denn geschehen? Fahrt fort, Furcht muß ich für Euch haben; habt Ihr Mut für mich!«
»Auf seine Uhr sehend, stand der Greis auf,« fuhr der König fort, »und ging hinaus, wohin, weiß ich nicht; aber ich hörte ihn ein Fenster auf der Seite der Sankt Honoriusstraße öffnen. Bald erglänzte ein Licht, dann sah ich auf der Säule des Hotels von Soissons ein anderes Licht, das auf das des Greises antwortete und uns Kosmus Ruggieri oben auf der Säule zu sehen erlaubte. ›Ah, sie verständigen sich‹, hab' ich zu Tavannes gesagt, der fortan alles schrecklich verdächtig fand. Er teilte meine Ansicht, uns dieser
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