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Kathedrale

Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels
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gestand er mit gesenkten Antennen. »Aber wir hören endlich Laute, die Humanoide ebenfalls produzieren können. Das ist ein guter Ansatz.«
    Spracherwerb ähnelte der Entwicklung mentaler Fähigkeiten. Das Gehirn eines noch sprachunfähigen humanoiden Kindes verfügte über doppelt so viele synaptische Verbindungen wie das eines Erwachsenen. Im Laufe der Zeit wurden manche Verbindungen schwächer, während andere gestärkt wurden. Milliarden neuraler Kanäle vertrockneten sozusagen nach und nach, bis aus einer schier unendlichen Menge an Möglichkeiten etwas Gebrauchsfähiges geworden war. Und so entstand schließlich die Sprachfähigkeit. Während das Gehirn Überschüssiges aussortierte, pflegte und schärfte es gleichermaßen den Intellekt und das Sprachvermögen.
    Und so langsam war Shar überzeugt, dass nur eine technische Analogie zu diesem biologischen Prozess den Schlüssel zum Verständnis der Fremden bergen konnte.
    Ein Gedanke schlich sich in seinen Geist, ungebeten und nicht willkommen: Würde Thriss’ Tod ihn auf ähnliche Weise stärker machen? Oder würde er nun auf ewig unvollständig bleiben, ewig uneins?
    »Fast ein gesamter Arbeitstag«, murmelte Bowers. »Und alles, was wir vorzuweisen haben, sind ein paar Silben in der Gamma-Quadrant-Variante von Säuglingsgebrabbel. Ganz zu schweigen von den Megaquads unübersetzbarer Sehlat -Kratzer.« Resigniert reichte er Shar den Übersetzer.
    Bowers Frust ließ Shar an seiner frisch gewonnenen Zuversicht zweifeln, wenn auch nur für Sekunden. War er etwa nur so euphorisch, um die immense Last der Trauer zu überspielen, die seine Seele erdrückte? Thriss war tot. Arbeit hatte etwas Tröstendes.
    Nein , sagte er sich. Wir sind auf der richtigen Spur. Wir müssen es sein.
    Die Tür der Offiziersmesse glitt auf. John Candlewood betrat den Raum und hielt abermals ein rekonfiguriertes Pinker-Sato-Phonetik-Modul gegen das künstliche Deckenlicht. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die nahezu ununterscheidbaren isolinearen Mikrofasern darin. Dann nickte er Shar zu, offensichtlich zufrieden.
    »Ich denke, diesmal haben Cassini und T’rb den Replikator richtig eingestellt«, sagte er und reichte Shar den fingernagelgroßen Chip, den dieser dankbar annahm. »Der hier umfasst die letzten quadrantenweiten linguistischen Vergleichsansätze des Bordcomputers. Wollen wir hoffen, dass er die Übersetzungsmatrix nicht wieder überfordert.«
    Shar nickte. Selbst jetzt noch hing der Geruch von Ozon und durchgeschmorten Kabeln in der Luft, der an die vergangenen Versuche erinnerte, den Übersetzer mittels einer Highspeed-Verbindung zum Bordcomputer der Defiant »kurzzuschließen«, wie Bowers es ausgedrückt hatte. Tief im Kern des Computers bemühte sich ein komplexes Programm gerade, den alten Text und die Laute des Fremden mit gespeicherten Sprach- und Textproben zu vergleichen, syntaktische und phonetische Beziehungen zu ermitteln und methodisch auszusortieren, was nicht ins Schema passte.
    »Ich wünschte«, sagte Bowers, während Shar das neue Pinker-Sato-Modul in den Griff des Übersetzungsgeräts schob, »wir könnten Senkowski und Permenter lange genug aus dem fremden Maschinenraum locken, damit sie den neuen Chip hier testen. Nach all der Arbeit mit der Vahni-Technik dürfte dieser Job ganz nach ihrem Geschmack sein.«
    Candlewood räusperte sich, das Gesicht von freundlichem Tadel geprägt. »Ich war ebenfalls daran beteiligt, Sam – auch wenn ich Nogs Team natürlich nicht den Ruhm absprechen will. Aber bei den Vahni hatten wir mehr Informationen als Grundlage. Die Vahni-Sprache ist zwar rein visuell, ähnelt uns bekannten Dialekten jedoch eher, als es diese hier tut. Und die Vahni verfügten über eigene Übersetzungsgeräte.«
    »Nog zufolge«, warf Shar ein, »sind die dringendsten Reparaturen am fremden Schiff in einer Stunde abgeschlossen.«
    »Dann werden die Fremden aufbrechen wollen«, ergänzte Bowers und strich sich über das Kinn. »Ich wette, sie bestehen darauf, den letzten unserer, ähm, Gäste mitzunehmen. Ich wünschte, sie hätten uns in mehr als nur ihren Maschinenraum gelassen. Es wäre schön, den Grund für ihre Anwesenheit und ihren Kampf mit den anderen Fremden zu erfahren.«
    »Vielleicht wird unser Gast ihn uns bald nennen«, sagte Shar und nickte diesem zu. Der Fremde nahm mit seinem langen und spindeldürren Leib gleich zwei Stühle ein. »Ich bezweifle aber nicht, dass seine Leute schnellstmöglich verschwinden wollen.

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