Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
tropfte im Abstand von drei oder vier Sekunden und füllte den Raum mit einem monoton dumpfen Rhythmus.
Plötzlich sprang der Kühlschrank brummend an. Manfred zuckte erschrocken zusammen. Er zögerte kurz, dann öffnete er die Tür und spähte hinein. Eine Woge üblen Gestanks rollte ihm entgegen. Er fuhr mit dem Kopf zurück und musterte den Inhalt aus sicherem Abstand. Zwei Packungen mit Fertiggerichten lagen im oberen Fach. Daneben befanden sich Puddingbecher in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Darunter stand ein Schälchen Butter, an dessen Rändern Reste von Marmelade und einer bräunlichen Paste klebten, vermutlich eingetrockneter Leberwurst. Mehrere angebrochene Packungen Aufschnitt aus dem Supermarkt stapelten sich daneben, sowie ein wackeliger Turm aus Schokoladentafeln. Ganz unten über dem Gemüsefach lagen vier Flaschen Altbier.
Der widerwärtige Gestank ging offensichtlich von einem verschimmelten Stück Käse aus, das auf den Bierflaschen lag. Es war in Klarsichtfolie verpackt, so dass man den pelzigen, graugrünen Belag deutlich erkennen konnte. Neben dem Käse lag ein anderes kleines Päckchen. Es handelte sich um eine zusammengefaltete, gelbe Plastiktüte, deren Inhalt man nicht erkennen konnte.
Manfred rümpfte die Nase und schlug die Kühlschranktür zu. Obwohl er den Bruchteil einer Sekunde lang Neugier verspürt hatte, nachzusehen, was sich in der gelben Tüte befand, überwog letztendlich der Ekel. Vermutlich war auch darin etwas zu essen eingewickelt, vielleicht Wurst oder Fisch, das das Verfallsdatum längst überschritten hatte. Er atmete tief durch und marschierte in Richtung Wohnzimmer.
Auf der Türschwelle stockte er und blieb einen Moment lang fasziniert stehen. Katrin stand reglos mitten im Zimmer, und das blasse Mondlicht schien durch das Fenster herein und umrahmte ihre Konturen. Dann fiel sein Blick auf den Gegenstand, den sie in den Händen hielt, und er stieß einen Laut der Empörung aus. Er machte einen Schritt auf sie zu.
»Du solltest doch nichts anfassen«, zischte er wütend. »Das hier ist kein Spaß, sondern Einbruch! Und dazu noch in eine von der Polizei versiegelte Wohnung.«
Katrin fuhr erschrocken herum. Sie setzte zu einer Antwort an, als ein Geräusch im Treppenhaus sie erneut zusammenfahren ließ. Auch Manfred hatte es gehört. Irgendetwas kratzte und schabte an der Wohnungstür. Katrin starrte wie gebannt in Richtung Diele. Die Wohnzimmertür lag genau gegenüber der Wohnungstür. Wer auch immer die Wohnung gleich betreten würde, hatte sie genau im Blickfeld. Plötzlich gab es ein leises Klicken und die Tür bewegte sich. Jetzt endlich erwachte Katrin aus ihrer Erstarrung und hastete in die andere Ecke des Raumes. Sie presste sich in den Spalt zwischen der Schrankwand und der Fensterfront.
Manfred hatte sich ebenfalls sekundenlang nicht gerührt und huschte jetzt im letzten Augenblick in die andere Fensterecke hinter einen Vorhang, der bis fast zum Boden reichte.
Katrin lauschte atemlos den Schritten, die zielstrebig Richtung Küche verschwanden. Sie sah kein Licht. Der Eindringling hatte offensichtlich keine Taschenlampe dabei. Oder er wagte es nicht, sie zu benutzen. Ob das der Mörder war? Hatte er gesehen, dass das Polizeisiegel nicht mehr unversehrt war? Was wollte er überhaupt hier in der Wohnung?
Katrin schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Laute, die aus der Küche drangen. Sie hörte ein Klappern, das Geräusch eines verrückenden Stuhls und dann ein unterdrücktes Fluchen. Die Kühlschranktür öffnete und schloss sich wieder. Dann näherten sich Schritte und verstummten in der Diele. Der Mann war offensichtlich im Begriff, die Wohnung wieder zu verlassen. Sekundenlang hörte sie nichts.
Plötzlich erschütterte ein Geräusch die Stille. Ein unterdrücktes Niesen. Es war nicht sehr laut, aber in der vollkommen stillen Wohnung dröhnte es ohrenbetäubend.
Katrin warf einen panischen Blick auf die gegenüberliegende Seite des Raumes und sah, wie Manfred sich mit den Fingern die Nase zuhielt, um ein weiteres Niesen zu unterdrücken. Ihr wurde heiß. Sie spürte, wie der Schweiß aus ihren Poren in ihre Kleidung kroch.
Dann näherten sich Schritte aus der Diele. Jemand betrat das Wohnzimmer und blieb mitten im Raum stehen. Sekundenlang rührte sich nichts. Katrin starrte auf Manfreds Füße, die deutlich sichtbar unter dem Vorhang hervorlugten. Sie presste den Gegenstand, den sie aus Erik Steins Regal genommen hatte, fest
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