Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
Oder sie haben ihm persönlich etwas angetan.«
»Eine Kindergärtnerin, ein Bankangestellter und ein Polizist?« Roberta schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«, gab Katrin zurück. »Warum sollten die keinen Dreck am Stecken haben? Nur weil sie so normal sind?«
»Dann hätte er sie aber auch ganz einfach anzeigen können, oder?«
Katrin ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Vielleicht hat man ihm nicht geglaubt. Oder die Strafe, die das Gesetz in solchen Fällen vorsieht, war ihm nicht hart genug. Kann doch sein, dass es etwas war, das sie ihm angetan haben und das für ihn ganz furchtbar war, aber für den Rest der Welt nicht, und jetzt hat er sich gerächt.«
»Und das findest du nicht irre?«
»Doch!« Katrin stöhnte. »Aber es steckt System dahinter. Eine persönliche Beziehung zwischen dem Täter und den Opfern. Und das bedeutet, dass es auch eine Beziehung zwischen den drei Opfern gibt, irgendetwas müssen sie gemeinsam haben.«
Manfred setzte sich zu Katrin auf die Couch und nahm sie in den Arm. »Ich glaube, Katrin hat recht. Da befindet sich jemand auf einem persönlichen Rachefeldzug. Möglich, dass die drei gemeinsam etwas verbrochen haben. Und jetzt müssen sie dafür bezahlen.«
»Kann natürlich auch alles ganz anders sein«, meinte Katrin jetzt. »Wäre schließlich auch möglich, dass wir es mit zwei verschiedenen Tätern zu tun haben.« Sie beugte sich nach vorn und lugte in die Teekanne, die auf dem Fußboden stand. »Leer«, stellte sie fest.
Roberta stand auf. »Ich mach neuen.« Sie hob die Kanne vom Boden auf. »Wie meinst du das mit zwei Tätern?«, fragte sie dabei.
»Ganz einfach: Dieser Hofleitner ist doch schuldig. Und irgendein irrer Trittbrettfahrer hat sich an ihn drangehängt.«
»Oder jemand«, fiel Manfred ein, »der schon länger jemanden loswerden wollte und jetzt die einmalige Chance sah, das einem verrückten Serienkiller anzuhängen.«
Roberta seufzte. »Das ist mir zu kompliziert«, murmelte sie und verschwand in der Küche. Manfred sah Katrin an. »Du kommst ja wohl nicht auf die Idee, auf eigene Faust ein bisschen rumzuschnüffeln, oder?«
Katrin gab ihm einen Kuss auf die Nase. »Was dir so alles einfällt! Wie kommst du nur darauf?«
*
»Wenn du sie weiter so zuschüttest, werden sie ertrinken«, verkündete Rita Schmitt.
Halverstett zuckte zusammen und stellte die Kanne weg. Doch es war bereits zu spät. Die fünf kleinen Kakteen, die die Fensterbank ihres Büros auf der zweiten Etage des Polizeipräsidiums in Düsseldorf zierten, schwammen bereits bis zum Topfrand in kleinen Tümpeln.
»Was ist los?«, wollte Rita jetzt wissen. »Ist es wegen dieses irren Henkers, oder macht dir sonst noch was zu schaffen?«
Halverstett blieb mit dem Rücken zu ihr stehen. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Kollegin war ausgezeichnet, nie hatte ihn jemand bei seiner Arbeit so perfekt ergänzt, und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen waren private Themen zwischen ihnen tabu. Niemals wäre er auch nur im Traum auf den Gedanken gekommen, ihr von dem Gefühlschaos zu berichten, das in seinem Inneren tobte. Der gestrige Abend hatte ihn vollkommen aus der Bahn geworfen. Er war jetzt seit fast dreißig Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, und nicht ein einziges Mal hatte er auch nur mit dem Gedanken gespielt, sie zu betrügen. Es war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Veronika und er lebten zwar in vollkommen verschiedenen Welten, dennoch war sie die Partnerin an seiner Seite, die Mutter seiner Kinder. Er war sogar ganz froh über das Arrangement zwischen ihnen, das es beiden ermöglichte, ungestört eigene Wege zu gehen, und das zumindest bisher gut funktioniert hatte. Für eine Frau, die seine Gedanken und Gefühle mehr in Anspruch genommen hätte, hätte ihm sein Beruf gar keine Zeit gelassen.
Doch jetzt war mit einem Mal alles anders. Es war nichts passiert zwischen ihm und Maren Lahnstein, und dennoch fühlte es sich an, als wäre er fremdgegangen. Nein, es fühlte sich nicht nur so an. Er war fremdgegangen. Ohne diese andere Frau auch nur zu berühren. Er wusste es. Und er wusste, dass sie es wusste.
»Hey, Klaus, alles in Ordnung? Ist es wegen der Leitung der Mordkommission?«
Halverstett starrte aus dem Fenster. Die Mordkommission war inzwischen auf dreißig Mitarbeiter aufgestockt worden. Er hatte sich nicht um die Leitung gerissen. Aber natürlich hatte man sie ihm dennoch aufs Auge gedrückt. Schließlich war er einer der
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