Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
nichts gesagt, das irgendwie doppeldeutig war? Ein versteckter Hinweis gewesen sein könnte? Irgendwas, das Ihnen aufgefallen ist?«
»Ich weiß es nicht. Wenn er tatsächlich einen Hinweis in seinen Worten versteckt hatte, dann habe ich ihn nicht verstanden.«
»Vielleicht ist es ja irgendwas, über das ihr vorher gesprochen habt«, meinte Manfred. »Hat er mal einen besonderen Ort erwähnt, an den er sich zurückziehen würde, wenn es hart auf hart kommt? Einen Lieblingsplatz? Ein Versteck?«
»Nein, über so was haben wir nicht gesprochen. Nur darüber, wie schlecht es ihm geht und dass er nicht mehr weiterweiß.«
Einen Augenblick lang sprach niemand. Als Katrins Handy klingelte, fuhren alle vier zusammen. Mit zitternder Stimme meldete sie sich.
»Katrin! Schön, dass ich dich endlich erreiche! Könnt ihr mir am Samstag vielleicht was mitbringen?«
Katrin stöhnte innerlich. Sie gab den anderen ein Zeichen, während sie hastig das Gespräch beendete. »Mama? Es ist gerade sehr ungünstig. Ich erwarte einen wichtigen Anruf. Ich melde mich später, okay?« Noch bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte, unterbrach sie die Verbindung.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis es erneut klingelte. Manfred zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Mal sehen, wer es diesmal ist.«
Katrin hielt das Telefon ans Ohr.
»Na, Engelchen, wo steckst du denn?«
Obwohl sie sicher im Polizeiwagen saß, umgeben von drei Menschen, die auf sie aufpassten, durchfuhr Katrin erneut ein heißkalter Schrecken, als sie seine Stimme erkannte. Sie hob die Hand, die anderen hielten den Atem an. »Benedikt. Ich habe leider keine Ahnung, wo Sie stecken.«
»Das ist bedauerlich. Niemanden scheint es zu interessieren, was mit Männern wie uns passiert.«
»Natürlich interessiert es mich. Ich finde schrecklich, was Sie durchmachen mussten.« Katrin blickte unsicher in Halverstetts Richtung, der aufmunternd nickte.
»Ich weiß, Engelchen. Gleich, als ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich, dass du anders bist.«
Katrin wusste nicht, ob er es ernst meinte oder sich über sie lustig machte. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Finde mich.«
»Helfen Sie mir, Sie zu finden.«
»Ich bin nicht der einzige Mann, dem so eine miese Schlampe das Leben zerstört hat. Wir sind die Opfer, verstehst du, Katrin? Es wird Zeit, dass die Gesellschaft das begreift. Eine Frau muss nur hergehen und sagen, dass ein Mann ihr was angetan hat, irgendwas, und schon steht der arme Kerl mit einem Bein im Knast.«
Katrin schluckte. Nur mit Mühe bezwang sie den Drang, ihm zu widersprechen. »Ich – ich würde Ihnen gern helfen. Doch dazu muss ich wissen, wo Sie sind. Bitte, Benedikt, sagen Sie mir, wo ich Sie finden kann!«
Er lachte bitter. »Genug geredet, Engelchen. Jetzt bist du dran.«
Katrin presste das Telefon ans Ohr, doch er hatte die Verbindung unterbrochen. So gut es ging, wiederholte sie, was er gesagt hatte, Wort für Wort.
»Und das war’s?«, fragte Halverstett ungeduldig. »Was für ein Spiel treibt der da? Ich glaube, der will uns zum Narren halten!« Wütend schlug er mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. Der Scheibenwischer sprang an. Halverstett fuchtelte ungeduldig an einigen Schaltern herum, bis er den richtigen gefunden und das hektische Hin und Her des Wischers beendet hatte.
»Vielleicht hat er einfach den Verstand verloren«, Rita fuhr nachdenklich mit den Fingern über die Mütze, die auf ihrem Schoß lag.
»Da war etwas«, meinte Katrin. »Etwas, das er gesagt hat, das anders war.«
»Was meinen Sie?« Halverstett drehte sich nicht zu ihr um, sondern beobachtete seine Kollegin, die immer noch ihre Mütze glatt strich.
»Er hat das Wort ›wir‹ benutzt. Oder besser gesagt ›uns‹: ›Niemanden scheint es zu interessieren, was mit Männern wie uns passiert‹.«
»Und was schließen Sie daraus?«
»Ich weiß nicht. Aber er hat es so merkwürdig betont. Als wolle er damit etwas sagen.«
Halverstett schüttelte den Kopf. »Ich kann mir keinen Reim darauf machen.«
»Moment!«, rief Manfred plötzlich. »Mir fällt da was ein. Es gab vor ein paar Jahren einen Fall. Ich erinnere mich jetzt. Zwei junge Männer wurden wegen Vergewaltigung zweier Frauen zu mehrjähriger Haft verurteilt. Einige Zeit später stellte sich dann heraus, dass sie unschuldig waren. Die Frauen hatten sie freiwillig mit in ihre Wohnung genommen und sich eine Nacht lang mit den Männern vergnügt. Am nächsten Tag kam ihnen wohl dann die Idee,
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