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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Druck, jede Bewegung.
    Ich fühlte mich wie eine hilflose Marionette, deren Fäden von Bastet gelenkt wurden. Es war erschreckend, über welche Macht sie verfügte. Innerhalb nur weniger Augenblicke hatte sie mich vom Akteur zum unbeachteten Statisten degradiert. Zeigte sie mit diesem Verhalten etwa doch eine Spur von Eifersucht? Nein, dachte ich. Seit Bastet den Körper Mias übernommen hatte, waren Gefühle dieser Art nie mehr ein Thema zwischen uns gewesen. Jedenfalls was Bastet betraf. Doch was war es dann? Warum demonstrierte sie mir auf derart prahlerische Weise ihre Fähigkeiten? Arroganz war etwas, was nicht zu Bastet passte.
    Die plötzlich eingetretene Stille ließ meinen Gedankenstrom abreißen. Wie ich nun sah, hatte Mia Rosalies Lippen mit einem Kuss verschlossen. Ich versuchte, meinen Kopf abzuwenden, doch auch so dehnte sich die Zeit wie ein endloses Gummiband. Ich sah mich bereits als Teil einer erotischen Laokoon-Gruppe – für ewig an meine beiden Mitstreiterinnen gefesselt – als Mia plötzlich meine Hände von Rosalie abstreifte und das Mädchen von mir wegzog. Der Bann war gebrochen; dennoch taumelte ich nur ein, zwei Schritte zurück.
    »So, genug gespielt, meine kleine Ausreißerin«, sagte Mia. »Die Nacht ist noch lange nicht vorüber, und unser Bettchen wartet.«
    Benommen beobachtete ich Mia, wie sie Rosalie dabei half, ihr Höschen wieder anzuziehen. Keine der beiden nahm mehr irgendeine Notiz von mir.
    »Und du bist mir wirklich nicht …?«, begann Rosalie zaghaft. Mia unterbrach die Frage, indem sie ihr zwei Finger auf die Lippen legte.
    »Pssssst, mein Dummerchen. Hör’ endlich auf, dir dein hübsches Köpfchen zu zerbrechen und komm’ mit.« Eng umschlungen schlenderten die beiden zur Tür.
    Kurz bevor sie im Flur verschwand, drehte sich Mia noch einmal zu mir um. »War echt nett von dir, dass du dich so aufopfernd um sie gekümmert hast.« Mit einem ironischen Augenzwinkern zog sie die Tür hinter sich ins Schloss.
    Auch als ich längst wieder allein im Zimmer war, stand ich einfach nur da. Bewegungslos. Stumm. Wie eine lächerlich tragische Figur in einem absurden Theaterstück. Das Spiel ist vorüber , dachte ich, und du hattest von Anfang an nur eine unbedeutende Nebenrolle. Mit schweren Schritten schleppte ich mich zurück zur Couch.
    Ich löschte das Licht, aber es half nichts. Auch in der Dunkelheit blieben meine Augen weit geöffnet. »Du verdammter Narr«, murmelte ich leise vor mich hin. »Deine Schwäche hat dich schon wieder zu Bastets Komplizen werden lassen.«
    Nachdenklich starrte ich auf den schwachen Lichtbalken der Straßenlaterne. Besaß ich eigentlich keinen eigenen Willen mehr? Wenn dem so war, hatte etwas in mir eine Millionen Jahre Menschheitsgeschichte aus dem Bewusstsein getilgt. Wenn ich noch nicht einmal dazu in der Lage war, die Kraft meines Geistes über die Triebe des Fleisches zu stellen, rangierte ich unter den Primaten höchstens auf der Stufe eines Orang-Utans.
    Unruhig wälzte ich mich hin und her. Warum hatte ich Rosalie keine Hilfe gewährt, als sie mich darum gebeten hatte?
    Du wolltest doch, dass sie von hier verschwindet , dachte ich. Warum hatte ich Rosalie nicht einfach einen Mantel übergeworfen und sie auf der Stelle nach Hause gefahren? Wie die Dinge standen, wäre es das Sinnvollste gewesen.
    Aber ich hatte es nicht getan. Ich hatte es nicht getan! Unaufhörlich dröhnte diese Anklage in meinem Kopf wider.
     
    Silbermöwen und Küstenseeschwalben segeln elegant im weiß-grauen Licht des anbrechenden Tages. Fast kann ich die aufgehende Sonne schon erahnen. Ich öffne das Fenster einen kleinen Spalt und atme die herbe kühle Brise tief in meine Lungen ein. Das unverwechselbare Aroma aus salziger Gischt, Muscheln und Algen belebt sofort wieder meine Sinne. Selbst der Schmerz in den verkrampften Fingern lässt etwas nach. Die Luft ist atembare Freiheit.
    Wenn sich erst einmal das Zwielicht der Frühnebel verzogen hat, wird es heute sicher noch ein angenehm sonniger Tag werden. Wie geschaffen für eine Bootstour oder einen Strandspaziergang. Ich werde allerdings nichts dergleichen tun. Im Schein der Schreibtischlampe warten noch immer einige weiße Seiten darauf, mit meiner kleinen, unleserlichen Schrift gefüllt zu werden.
    Rosalie – schon damals hatte ich sie als das erkannt, was sie war. Eine Prüfung, eine letzte Chance, nur für mich geschaffen. Eine höhere Macht – nennen wir sie ruhig ›Gott‹ – hatte den verderbten Sünder

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