Katzenkrieg
Punkt das Thema fallenzulassen, und der Rest der Mahlzeit verlief in den Bahnen höflicher Trivialität. Nach dem Essen entschuldigte sich der Marquis, da er eiligst gehen musste, verabschiedete sich mit seiner charakteristischen Liebenswürdigkeit von allen Familienmitgliedern, drückte dem Engländer kräftig die Hand und sagte: «Es war mir ein Privileg und ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Señor Whitelands. Ein Freund dieser Familie, die ich liebe wie meine eigene, wird auch mir immer ein Freund sein. Ich würde mich sehr freuen, Sie wiederzusehen, und hoffe, dass dem so sei. Aber wenn Sie in Ihr Land zurückfahren müssen, so wünsche ich Ihnen eine gute Reise und viel Glück, und ich bitte Sie, das zu bedenken, worüber wir gesprochen haben.»
Anthony blieb am Tisch sitzen, aber im Gegensatz zum Vortag gab es weder Musik noch sonst eine Unterhaltung. Der Abtritt des schmucken Marquis hatte eine Lücke hinterlassen, die niemand zu füllen in der Lage schien. Es war, als hätte der illustre Gast mit seinem Weggang der Luft den Sauerstoff entzogen. Die Herzogin, bis dahin so heiter angesichts der Aussicht, bald das Land verlassen zu können, war in ein melancholisches Schweigen versunken, als wäre sie schon vom traurigen Geist des Exils erfüllt. Der Herzog war zerstreut. Beider Sohn Guillermo, plötzlich nervös und gereizt, murmelte nach einigen Minuten eine unverständliche Entschuldigung und entfernte sich. Auch die beiden jungen Frauen wirkten niedergeschlagen. Lilí warf dem Engländer ab und zu flüchtig einen müden Blick zu, und Paquita konnte eine tiefe Besorgnis nicht verhehlen. Anthony vermutete, sie verspüre für den schmucken Marquis eine unerwiderte Liebe. Das war nur allzu verständlich: Der Marquis sah gut aus, war distinguiert, brillant und zweifellos von glühendem Temperament. Der würde in Cambridge Verheerungen anrichten, dachte er. Dann, ohne diese Möglichkeit direkt auszuschließen, sagte er sich, er wisse von diesen Menschen noch so wenig, dass jede Vermutung ganz willkürlich war. Eine Frau von der Intelligenz und Stellung Paquitas musste in der gegenwärtigen Situation reichlich Gründe zur Besorgnis haben, und nicht unbedingt romantischer Natur. Und letzten Endes, dachte er, was geht mich das alles an? Morgen um diese Zeit sitze ich im Zug, unterwegs nach Hendaye, und ich werde diese Menschen nie mehr sehen. Aber dieser Gedanke, gerade weil er treffend und vernünftig war, stimmte ihn tieftraurig. Wenn er sich erst wieder in der komfortablen Sicherheit seines Londoner Heims befände, welche Bilanz könnte er aus einer Reise ziehen, die von beruflichem Misserfolg und der Feststellung seiner persönlichen Beschränktheit geprägt war? Was für eine Meinung hätten sie sich von ihm gebildet, besonders Paquita, und vor allem, was für eine Meinung würden sie sich bilden, wenn sie erführen, dass die Begutachtung der Bilder keinen Weg zur Rettung der Familie aufzeigte? Wie der Arzt, der eine schwere Krankheit diagnostiziert und weiß, dass er, obwohl vollkommen schuldlos, kaum mit der Sympathie des Kranken rechnen kann, so machte sich Anthony, in der unwahrscheinlichen Annahme einer Wiederbegegnung, keine Illusionen, was Paquitas Gefühle für ihn betraf. Ach was, dachte er, was schert es mich letztlich, was für eine Meinung diese Frau von mir hat, so attraktiv ich sie auch finde? Es war unsinnig, mit seinen Gefühlen für Paquita zu spekulieren, wo er doch soeben einen Schlusspunkt unter seine Beziehung mit Catherine gesetzt hatte. So schnell wie möglich dieses Haus zu verlassen, das lächerliche Madrider Abenteuer zu beenden und das Vorgefallene möglichst zu vergessen, das war nicht nur das Beste, sondern auch das einzig Vernünftige. Sollen die Spanier doch zurechtkommen, wie sie wollen oder können, dachte er; auch wenn sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen – wenn das Gewitter abgezogen ist, wird Velázquez immer noch da sein und auf meine Rückkehr warten.
Fest entschlossen, einen Schlussstrich unter diese Situation und seine Mutmaßungen zu ziehen, setzte er zu einer Verabschiedung an, die er als lang voraussah und die ganz knapp ausfiel. Nur die Herzogin hielt seine Hände länger in den ihren zurück, die für diesen geheizten Raum merkwürdig kalt waren, und murmelte: «Sollten wir uns in Madrid nicht wiedersehen, erwarten wir Sie an der Côte d’Azur. Dort werden wir uns niederlassen, bis alles vorüber ist, nicht wahr, Álvaro?»
Seine Exzellenz der Herzog
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