Katzenkrieg
nickte bedächtig. Paquita reichte Anthony die Hand, und Lilí drückte ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. Der Herzog erbot sich, ihn zur Tür zu begleiten. «Kommen Sie morgen früh zu mir, und wir rechnen ab. Keine Widerrede. Vereinbarung ist Vereinbarung, Sie haben gute Arbeit geleistet, und ich halte immer Wort. Ganz besonders danke ich Ihnen für Ihre Diskretion. Ich weiß, dass den Engländern Notlügen zuwiderlaufen.»
Beklommen und mit müden Schritten verließ Anthony das Palais. Hätte er Geld gehabt, er hätte den erstbesten Zug nach England bestiegen. Aber das war unmöglich. Er war nicht nur mittellos, sondern hatte auch keine Papiere. Er verfluchte sich tausendmal für seine Dummheit. Diese Art, sich abzureagieren, brachte nichts, und er beschloss, alles daranzusetzen, wieder zu seiner Brieftasche und seinen Papieren zu kommen. Wenn der Mann, der sie ihm abgenommen hatte, ein Berufsgauner war, wie seine Methode vermuten ließ, war er wahrscheinlich in einem begrenzten Umfeld aktiv, wo ihm Orte und Menschen vertraut waren. Es war dunkel geworden, und die Schenken füllten sich allmählich. Obwohl es unwahrscheinlich war, dass er ihn am selben Ort wiederfand, beschloss er, im Stierkampflokal vom Vorabend zu beginnen.
Er fand ihn weder dort noch in den unzähligen Tavernen, in die er hineinschaute. Da er sich ein systematisches Prozedere vorgenommen hatte, trat er in belebte Lokale ein. In einigen hatte sich eine distinguierte Kundschaft versammelt, in anderen Büroangestellte, in dritten Galgenstricke mit unvorstellbaren Berufen; in den meisten aber gab es eine demokratische Mischung. In allen herrschte ohrenbetäubender Betrieb, und unablässig wurden Wein und Speisen mannigfaltigster Art ausgegeben. Alle prophezeiten einen unmittelbar bevorstehenden Gewaltausbruch, und Anthony hatte keinen Grund, diese Prophezeiung anzuzweifeln, aber solange die Tragödie noch nicht eingetreten war, schienen die Spanier entschlossen zu sein, sich zu amüsieren.
Diesen Schluss und sonst nichts zog Anthony aus seiner langen Irrfahrt durch die Bohemenacht. Er wollte so viele Lokale wie möglich abklappern, und ohne Geld, um etwas zu sich zu nehmen, hielt er sich in keinem von ihnen richtig auf, sondern wandte sich gleich an den Wirt, einen Kellner oder einen Gast und fragte, ob sie einen Mann mit den Eigenschaften desjenigen kannten, der ihn am Vorabend bestohlen hatte. Seine Kurzangebundenheit, sein Akzent und die Unmöglichkeit, sich für die erbetene Hilfe irgendwie erkenntlich zu zeigen, ließen jeden Versuch im Sand verlaufen. Seine Fragerei weckte Argwohn und manchmal offene Feindseligkeit. Mehr als einmal musste er einen vernünftigen, wenn nicht schmählichen Rückzug antreten. Schließlich machte er sich auf den Weg zum Hotel.
Bevor er sein Unterfangen als gänzlich gescheitert aufgab, beschloss er unterwegs, noch einmal an den Tatort zurückzukehren. Ohne Schwierigkeiten fand er die schäbige Haustür, klatschte in die Hände und wartete auf den Nachtwächter. Als dieser um die Ecke wankte, sagte er: «Erinnern Sie sich an mich?»
«Von wann?»
«Von gestern Nacht.»
«Was ist denn gestern Nacht Denkwürdiges passiert?»
«Nichts. Schließen Sie mir auf.»
Dieselbe Alte wie beim ersten Mal zeigte sich bei Anthonys Anblick freundlich überrascht. So regelmäßige Kunden schien es nicht allzu oft zu geben. Dieser Empfang zerstreute seinen Verdacht hinsichtlich einer möglichen Komplizenschaft zwischen der Frau und dem Taschendieb. Sie bat ihn herein, schloss die Tür und rief, bevor er etwas sagen konnte, in den schwarzen Flur hinein: «Toñina, mein Kind, komm rasch, dein Galan ist wieder da!» Und zu Anthony: «Sie kommt gleich, Señor. Sie macht sich wohl schön. Das arme Kind ist ganz verrückt nach Ihnen, das kann man überdeutlich sehen. Sie wissen ja nicht, wie sehr ihr die Katalanen gefallen. Toñina, verdammt, wird’s bald? Und zieh den schwarzen Unterrock an, den dir der Vertreter aus Sabadell geschenkt hat.»
«Ich bin nicht Katalane, Señora», korrigierte Anthony. «Ich bin Engländer.»
«Verflixt, entschuldigen Sie den Versprecher. Mit Ihrem merkwürdigen Akzent und nachdem Sie kein Trinkgeld dagelassen haben … Aber da ist das Mädel ja schon. Sehen Sie doch, was fürn Schätzchen, mein allerliebster Herr!»
Nüchtern und niedergeschlagen bemerkte Anthony zum ersten Mal Hunger in den großen Augen des Mädchens. «Eigentlich bin ich nicht aus dem Grund gekommen, den Sie vermuten,
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