Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
Vom Netzwerk:
stand auf und sagte: «In diesem Fall, Whitelands, gebe ich Ihnen den Rat trotzdem, den ich Ihnen geben wollte: Gehen Sie ins Hotel, und schlafen Sie Ihren Rausch aus. Morgen werden Sie alles klarer sehen, und es ist wichtig, das Sie heute Abend mit niemandem mehr sprechen.»

12
    Mit den schlenkernden Schritten des Betrunkenen bewegte sich Anthony Whitelands durch die menschenleeren Straßen des winterkalten Madrid auf sein Hotel zu, als ein Mann mit Bettlervisage und altmodisch breitkrempigem Hut, seinen Schritt dem Anthonys anpassend, zu ihm trat und seinen Namen nannte. Da er einem Gemälde entsprungen schien, hielt ihn Anthony für eine Halluzination und ging weiter, ohne zu antworten oder ihn auch nur anzuschauen, bis ihn sein spontaner Begleiter sanft am Ellbogen nahm, unter dem Lichtkegel einer Straßenlaterne zum Stehen brachte und in beleidigtem Ton sagte: «Nanu, erkennen Sie mich nicht mehr? Schauen Sie mich an – ich bin Higinio Zamora Zamorano, der Ihnen neulich abends die Brieftasche gehütet hat.»
    Bei diesen Worten hatte er die Hutkrempe gelüftet, so dass sein eingefallenes Gesicht von der Laterne beleuchtet wurde. Als er es erkannte, zuckte der Engländer zusammen und rief: «Teufel noch mal, Don Higinio, Sie müssen mir verzeihen. Die Straßenbeleuchtung ist mangelhaft, und ich muss im Ritz meine Brille vergessen haben.»
    «Nein, die Brille sitzt auf Ihrer Nase. Und nennen Sie mich nicht Don Higinio. Mit Higinio allein ist mir schon gedient. Geht es Ihnen gut?»
    «Oh, absolut, absolut. Und ich freue mich sehr über diese Zufallsbegegnung, nun kann ich meiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen. Ich habe Sie vergeblich zu lokalisieren versucht, um Ihnen einen Finderlohn zu geben, weil Sie meine Sachen in die Botschaft gebracht haben.»
    Higinio Zamora Zamorano zeichnete mit seinem Hut einen Schnörkel in die Luft und setzte ihn wieder auf. «Auf gar keinen Fall, das fehlte noch. Aber sagen Sie, wohin gehen Sie um diese Zeit, so forsch? Wenn man fragen darf, natürlich.»
    Anthony deutete die Straße hinauf und sagte resigniert: «Ins Hotel, den Rausch ausschlafen.»
    «Ach, ist das weit?»
    «Nein. Wenn mich mein Orientierungssinn nicht täuscht, ist es gleich um die Ecke.»
    Higinio Zamora hielt ihn wieder fest, diesmal kräftiger, und sagte: «In diese Richtung sollten Sie aber nicht gehen. Ich komme eben von da und habe Schreie und Gelaufe gehört. Die von der CNT und die Falangisten liefern sich soeben eine Schlägerei. Besser, wir warten, bis sich das Gewitter gelegt hat. Hören Sie, warum gehen wir nicht auf einen Sprung dorthin, wo ich Sie letztes Mal zurückgelassen habe? Die Justa wird wohl noch auf sein, und die Kleine kann man allenfalls wecken. Dort sind wir wenigstens vor der Kälte und dem Krawall geschützt und können ein paar Gläschen kippen, um uns aufzuwärmen. Was meinen Sie? Die Nacht ist noch jung.»
    Der Engländer zuckte die Schultern. «Gut», sagte er, «eigentlich hatte ich keine große Lust, ins Hotel zu gehen. Hat man Ihnen schon mal gesagt, dass Sie dem Menippos von Velázquez sehr gleichen?»
    «Nie. Kommen Sie, wir nehmen einen Umweg, so können wir die breiten Straßen vermeiden, da gibt es immer die Zusammenstöße.»
    Obwohl Anthony auch mit gespitzten Ohren nichts von dem Aufruhr hörte, von dem der andere dauernd sprach, ließ er sich willig führen – er mochte noch keinen Schlussstrich unter einen so außergewöhnlichen Tag setzen. Arm in Arm überquerten sie die kleine Plaza de la Vaquilla, im Sommer so belebt mit den Sonnenschirmen der Trödler und jetzt menschenleer, und traten in ein Labyrinth gewundener, düsterer Gassen. Nach kürzester Zeit wusste der Engländer nicht mehr, wo er sich befand. Das zeigte ihm, wie schlecht er Madrid doch kannte, obwohl er immer wieder relativ lange hier gewesen war. Jetzt fühlte er sich doppelt fremd, und das stimmte ihn zutiefst melancholisch, erfüllte ihn aber auch mit der Erregung des Unbekannten. Übergangslos fiel er von kindlicher Begeisterung in eine an Verzweiflung grenzende Traurigkeit. Beide Zustände verwirrten ihn, und er hätte sich überallhin führen lassen. Doch Higinio Zamora Zamorano wollte ihn nur an den genannten Ort bringen, und nach vielen Abbiegungen befanden sie sich wieder vor dem alten Portal und klatschten wild in die Hände, bis der in seinen Umhang gemummte Nachtwächter, zitternd vor Kälte, dahergeschlappt kam. Unter der Mütze sah man gerötete Augen, und an der Nasenspitze hing ihm ein

Weitere Kostenlose Bücher