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Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Titel: Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ondaatje
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Räubereien erzählt und meine Rolle dabei etwas ausgeschmückt. Die De-Silva-Erbin ging neben dem Baron, von Schweigen umhüllt. Vielleicht vor Trauer. Oder war sie schon vom Charme des Barons bezirzt?
    Wir selbst gingen in Port Said nicht an Land. Wir blieben auf dem Schiff, um den Gully-Gully-Mann zu sehen, und sahen von der Reling der Oronsay aus zu, wie er in seinem Boot ankam und dann Hühner aus Ärmeln und Hosenbeinen und unter seinem Hut zutage förderte. Er nieste, zog einen Kanarienvogel aus seiner Nase und entließ den Vogel in die Luft des Hafens. Das Boot schaukelte unten in der Dünung, während er vor Schmerzen auf- und abhüpfte, als ein Gockel seinen kammbewehrten Kopf aus seiner Hosentür streckte. Dann konnten wir zusehen, wie Schlangen aus seinen Ärmeln fielen. Sie rollten sich zu seinen Füßen zu tadellosen Kreisen und regten sich nicht, als Münzen in das Boot prasselten.
    Früh am Morgen darauf legten wir in Port Said ab. Ein Lotse wurde in einer Barkasse zu uns gebracht, kam an Bord und geleitete uns aus dem Hafen hinaus. In seiner Nonchalance ähnelte er dem Mann, der uns mit Pfiffen und Rufen in den Kanal hineingeführt hatte. Ich dachte mir die beiden als Zwillinge oder wenigstens als Brüder. Nachdem er seine Aufgabe erfüllt hatte, verließ der Lotse mit schlappenden Sandalen die Brücke und kletterte zu der Barkasse hinunter, die uns gefolgt war. Die Hafenlotsen, mit denen wir von da an zu tun hatten, traten förmlicher auf. In Marseille kam ein Lotse in langärmeligem Hemd, weißen Hosen und weißen, geputzten Schuhen an Bord. Fast ohne den Mund aufzumachen, flüsterte er seine Anweisungen, um das Schiff in den Hafen zu bringen. Die Lotsen, die ich gewohnt war, trugen Shorts und nahmen fast nie die Hände aus den Hosentaschen. Als erstes verlangten sie für gewöhnlich einen Schnaps und ein frisches Sandwich. Ihre lässige Art würde mir fehlen, ihr Auftreten, als wären sie unentbehrliche Hofnarren, die wussten, dass sie sich am Hof eines fremden Königs für ein paar Stunden ungestraft alle Freiheiten herausnehmen konnten. Doch nun waren wir in europäische Gewässer gelangt.

 
     
     
    IN PORT SAID VERLIESS UNS AUCH MR. MAZAPPA . Ich wartete auf seine Rückkehr über die Gangway sogar noch, als sie zusammengeschoben und weggebracht worden war. Miss Lasqueti stand neben uns, doch sie verschwand unauffällig, als zum Abschied die Glocke geläutet wurde, so penetrant wie Kindergequengel. Und dann löste die Gangway sich vom Ufer.
    Erst vor kurzem ist mir klargeworden, dass Mr. Mazappa und Miss Lasqueti jung gewesen sein müssen. Als er in jenem Jahr von unserem Schiff verschwand, waren sie vermutlich Anfang bis Mitte Dreißig. Max Mazappa war der munterste Gast am Katzentisch gewesen, bis wir Aden verließen. Unbeschwert und burschikos hatte er uns um sich versammelt und dafür gesorgt, dass wir einen lauten Tisch bildeten. Seine Präsenz war öffentlich, selbst wenn er Zweideutigkeiten flüsterte. Er hatte uns bewiesen, dass auch Erwachsene fröhlich sein können, obwohl ich wusste, dass die Zukunft niemals so dramatisch und erfreulich und trügerisch sein würde, wie er sie Cassius, Ramadhin und mir ausgemalt und besungen hatte. Er war homerisch in seiner Auflistung weiblicher Reize und auch Unarten, der besten Ragtimes und Schmachtfetzen, der Gaunereien und Treubrüche. Er war es, der uns erzählt hatte, wie Musiker mit Schüssen die Ehre ihres makellosen Spiels verteidigten, wie ein ganzer Tanzsaal in der kurzen Pause während eines Auftritts von Sidney Bechet »Versager!« johlte. Und immer würde es Männer geben, Ever Grasping Your Precious Tits. Was an dem Diorama Leben hatte, war sein Werk.
    Und deshalb konnten wir nicht verstehen, was ihn so verstört haben sollte. Schwermut schien den Protegé von Le Grand Bechet ergriffen zu haben. Was war mir so unbegreiflich an Mr. Mazappa? Hatte ich nicht die keimende Freundschaft zwischen ihm und Miss Lasqueti erraten? In unseren Debatten im Turbinenraum hatten wir uns eine große romantische Liebesgeschichte ausgemalt – wie sie sich zwischen den Gängen höflich entschuldigten und zum Rauchen an Deck gingen. Es war dann draußen noch hell, und wir sahen, wie sie sich über die Reling lehnten und austauschten, was sie über die Welt wussten. Einmal bedeckte er ihre nackten Schultern mit seinem Jackett. »Ich hielt sie zuerst für einen Blaustrumpf«, hatte er von ihr gesagt.
    Nachdem Mr. Mazappa die Oronsay verlassen hatte, nahmen

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