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Kauffahrers Glück

Kauffahrers Glück

Titel: Kauffahrers Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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zerlegt hatten - aber ihm war nur diese eine rasche Chance geblieben, mit der
Lucy
loszubrechen, sie hinauszusteuern, bevor sie beschlagnahmt wurde, und er hatte sie auf diese Weise behalten. Siebzehn Jahre war er damals alt gewesen und hatte bereits die Kontakte und Häfen gekannt und gewusst, wie man mit Zollbeamten redet.
    Er schlief in Ross‘ alter Koje, in genau dieser, denn so konnte er dem, was ihm von seiner Familie blieb, so nahe sein wie möglich, und dieses Bett schien wärmer zu sein als die anderen, nicht so unglückselig heimgesucht wie sie. Ross hatte ihm stets nähergestanden als der eigene Verstand, und weil er Ross‘ Körper nicht mit den eigenen Händen hinausgeworfen hatte, war es manchmal weniger so, dass Ross tot war, sondern vielmehr, dass er nach dem Missgeschick auf Wyatts unsichtbar geworden war und immer noch an Bord lebte, in den Programmen des Computers... so peinlich genau hatte Ross alles aufgezeichnet, was er wusste, jede Operation programmiert, Instruktionen für jeden erdenklichen Fall hinterlassen... für den Fall, hatte Ross gesagt, einfach nur für den Fall.
    Die Alarmaufzeichnungen sprachen mit Ross‘ Stimme, die Zeitsignale taten es und auch die Instruktionen. Es war so etwas wie Gesellschaft, und sie füllte das Schweigen.
    Er versuchte, nicht öfter mit der Stimme zu reden, als es sein musste, sprach überhaupt nur selten, wenn er auf dem Schiff war, denn er rechnete sich aus, dass er an dem Tag, wo er sich mit dem Computer zu unterhalten begann, in bösen Schwierigkeiten sein würde.
    Nur diesmal saß er da und hielt die Augen auf die Bildschirme der Brücke gerichtet und stützte sich mit den Schultern gegen die Beschleunigung ab, und eine ungeheure Lethargie breitete sich in der Gesellschaft seiner Geister in ihm aus. Ross, dachte er, Ross... vielleicht liebte er sie, denn Ross war am ehesten für ihn so etwas gewesen wie ein Vater, ein persönlicher Vater, und er musste diesen Gedanken an jemand anderem ausprobieren, einfach nur, um zu sehen, ob es sich vernünftig anhörte.
    Aber das tat es nicht. Er hatte die Geschichtenbänder, ein paar alte Bänder, die Ross auf Pan-Paris ergaunert hatte, als sie noch jung gewesen waren und voller Ambitionen. Er hörte sie immer und immer wieder ab und beschwor Frauen in seinem Bewusstsein, aber er konnte Wahrheit von Phantasie unterscheiden und gestattete nicht, dass die Phantasie ihn in den Griff bekam. Es hatte mit dem Leben zu tun - und mit Einsamkeit; und es gab Rückstände, die er sich nicht leisten konnte. Er war betrunken gewesen, mehr nicht; war jetzt nüchtern und nur noch müde.
    Und außerdem war er noch verrückt gewesen, dass er so viel bezahlt hatte, um von der Station wegzukommen. Und er war auf dem Weg nach draußen, beschleunigte, war festgelegt... unterwegs zu einem wirklichen Ort dort draußen, stand im Begriff, gegen Flugschneiseninstruktionen zu verstoßen, mit gefälschten Papieren auf dem Weg hinaus in ein neues Territorium. Es handelte sich um einen wirklichen Ort und eine wirkliche Begegnung, wo ein Traum eine böse Wendung nehmen konnte.
    Wo er enden konnte. Für immer.
(Ross - ich habe Angst!) Kein Geräusch außer dem der Ventilatoren und dem des Kerns, dieses allgegenwärtige weiße Rauschen, in dem die übrige Stille alles überwältigte. Kleine menschliche Geräusche wie der Atem, wie das Herabfallen eines Schreibstifts, der Druck auf einen Knopf, wurden ausgelöscht, verschluckt, zunichte gemacht.
    (Ross - das ist vielleicht die letzte Reise. Es tut mir leid. Ich bin müde...) Das war der Kern des Ganzen. Die Gewissheit ließ sich in seinen Knochen nieder. Die letzte Reise, das letzte Mal - weil ihm keine zivilisierten Stationen auf der Unionsseite mehr offen standen. Sogar Pell - jenseits der Grenze - hatten sie einmal angelaufen, als er noch mit Ross und Mitri zusammengewesen war, und als die
Lucy
noch
Rose
geheißen hatte. Sie hatten dort Schulden, wie überall. Der
Lucy
waren die Häfen ausgegangen, und ihm die Antworten, denn er war müde vor Angst und Hunger und wegen des wenigen Schlafs, wie er auf dem Weg nach Viking gewesen war, in der geringfügigen Angst, der alte Mann, den er angestellt hatte, könnte ihn ausrauben oder am Computerschloss vorbeikommen oder - die Möglichkeit bestand immer - ihn im Schlaf töten. Und einmal, einmal gesehen zu haben, was andere besaßen, wie das Leben war ohne diesen Schrecken, das Leben in den bunten Bars und den bunten Schlafheimen und mit einer Frau,

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