Kauft Leute
gemütlich gemacht. Einer der Kellner oder Securitys von der Eventagentur hatte – inzwischen in ziviler Kleidung – eine Gitarre aufgetrieben; ein paar Mädchen, darunter auch Heldinnen, machten mit ihren Handys kecke Fotos voneinander, die simultan auf einen der Tablet-Computer übertragen wurden und als Diashow im Hintergrund liefen; die Männer tranken hemmungslos Whisky, und mitten unter ihnen stand Doktor Moffat in weißen Hosen und einem rosa Hemd, dessen Knöpfe beinahe bis zum Nabel geöffnet waren.
Als er Caro bemerkte, die durch die Arkaden auf die Gruppe zukam, und auch begriff, dass er sich nicht mehr davonmachen konnte, hob er sein Glas, rief ihren Namen und öffnete die Arme zur Begrüßung. Als Caro zwei Meter von der Gruppe und dem Doktor entfernt war, sagte sie ruhig und ohne Schrillheit in der Stimme, wie sie es selbst eigentlich erwartet hatte: »Sie hat sich umgebracht.«
Der Gitarrist hörte auf zu spielen, die Mädchen ließen die Handys und die Whiskytrinker ihre Gläser sinken. Wenn sich jemand umgebracht hatte, musste man kurz Ruhe geben, so war das eben.
»Wer?«, fragte Moffat.
»Die Depressive. Die ohne Indikation. Die ein bisschen schwer aus dem Bett kommt.«
»Übertreiben Sie es nicht, Caro.«
»Sie hat sich im Schaufenster die Adern geöffnet. In Österreich war es schon in den Spätnachrichten. Die Leute haben mit dem Handy mitgefilmt.«
»Wieso weiß ich nichts davon? Wer hat Sie informiert?«
»Oh, das war Dennis, der Junge vom Empfang. Er sagt, keiner hat Lust, es Ihnen oder Danesita zu sagen.«
Der Doktor schwieg für einige Sekunden, dann marschierte er in den Park hinaus.
Christian saß wieder in der Säulenhalle und zählte die Sekunden, bis dieser Abend vorüber war. Er malte sich aus, wie es wäre, wenn Gerald ihn endlich gekauft hätte. Er würde ihn noch heute Nacht ein Dokument unterschreiben lassen, in welchem er von allen Rechten an Christian zurücktrat. Ein Freibrief. Er würde sich seinen Pass, seine Bank- und Kreditkarten, seine Schlüssel und sein Handy übergeben lassen, Gerald den versprochenen Arschtritt versetzen und als freier Mann in die Nacht hinausgehen. All die Jahre, als er in der Welt unterwegs war, gab es keine Grenzen für ihn. Er konnte gehen, wohin er wollte; leben, wie es ihm gefiel; lieben, wen er wollte. Aber wirklich frei hatte er sich nicht gefühlt. Da war dieses Gefühl, als liefe er vor etwas davon. Als stehle er sich die Zeit. Er wusste, dass es jetzt anders sein würde.
Christian bemerkte, dass sich draußen im Vestibül etwas tat. Der Leiter des Wiener Markts war an den Münchner Chef herangetreten und zeigte auf Christian.
Danesita war knapp dran an diesem Burschen, der ihn gedemütigt hatte und als Komplize von Boris und X aufgetreten war, aber noch hatte er ihn nicht. »Ich muss ihn mitnehmen, Theo! Der hat einem Kollegen beim Ausbüchsen geholfen und ist dann zu euch nach München verkauft worden, bevor ich ihn mir zur Brust nehmen konnte.«
»Ich versteh dich schon, Quintus, aber der Herr Binder, unser Eventspezialist, will ihn auch haben«, antwortete der Münchner vorsichtig.
Danesita lachte auf. »Nach der Katastrophe mit der Plane, die ja nur um ein Haar nicht mit Verletzten und Toten ausgegangen ist, willst du dem noch eine Prämie auszahlen?!«
»Es ist keine Prämie, er zahlt den regulären Preis.«
»Gut, wie du willst, dann zahle ich auch. Und ich lege zehn Prozent drauf. Einverstanden?«
»Du, angenehm ist mir das jetzt nicht. Ich hab dem Mann ein Versprechen gegeben.«
»
Darf ich die Herren kurz unterbrechen?
«
Danesita und sein Münchner Kollege ließen von ihrer Verhandlung ab und sahen sich dem Zweimeter-Mann Stefan Helby gegenüber, der den ganzen Abend über im Hintergrund geblieben war.
»Ich fürchte«, sagte Helby, »dieser junge Mann wird weder zu Ihnen nach Wien kommen, noch in den Besitz unseres Eventverantwortlichen von heute Abend übergehen. Mein guter Freund Kai Müller hat nämlich ein Auge auf ihn geworfen, genauer: seine bildhübsche Tochter Aimée.«
»Aha«, sagte der Münchner, der nicht zu unterwürfig erscheinen wollte, »dann muss das Fräulein Aimée aber die beiden Herren hier mit ihrem Angebot übertrumpfen, denn so war das immer bei uns!«
Helby lächelte sanft. »Herr Müller und seine Tochter werden überhaupt keinen monetären Einsatz leisten. Sie bringen stattdessen dieses Argument vor …«
Der ehemals renommierte und mit Preisen bedachte Journalist Kai Müller
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