Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
ändern wollen.
Er wusste schon seit Langem nicht mehr genau, was in Hannes vor sich ging, kam ihm zu Bewusstsein. Als sie jünger waren, hatten sie sich eigentlich gut verstanden.
Hendrik verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens. Vielleicht hätte er vorher schon einmal das Gespräch suchen sollen? Hannes war im Grunde einsam, vermutete er. Und er kam mit sich selbst nicht klar.
„Logo“, antwortete er verspätet. „Ich passe auf. Bislang hatte ich auch erst einmal richtig Sex und das war … irgendwie voll der Reinfall.“
Hannes sagte nichts, presste die Unterkiefer nur fest aufeinander.
„Wie war … deine Ausstellung?“, wechselte er abrupt das Thema, ohne jedoch den Blick von der Straße zu nehmen.
„Ganz okay, schätze ich mal“, ging Hendrik drauf ein. „Mein Bild war sogar gestern in der Zeitung, in dem Artikel zur Ausstellung an der Fachschule.“
„Weiß ich, habe ich im Internet gelesen“, nuschelte Hannes und starrte stur geradeaus. „Ein nackter Kerl.“ Er schnaubte unbestimmt.
Hendrik zuckte die Schultern und grinste.
„Ich mag nackte Kerle“, erklärte er lächelnd und erkannte erstaunt, dass auch Hannes' Mundwinkel zuckten.
„Logisch, weil du schwul bist“, kommentierte dieser und lächelte offener. Es war verdammt lange her, dass Hendrik ihn so gesehen hatte. Plötzlich tat er ihm sehr leid.
Hannes hatte früher einmal Freunde gehabt, war viel mit ihnen unterwegs gewesen. Mittlerweile hatte er sich ganz zurückgezogen und sich vor allen anderen versteckt. Auch vor ihm, seinem eigenen Bruder. Vielleicht war es an der Zeit, ihn aus seinem Versteck zu holen, welches er alleine nicht mehr verlassen konnte oder wollte.
„Sah übrigens ganz passabel aus. Dein Bild, nicht der Kerl“, ergänzte Hannes hastig und fuhr sich nervös über das stoppelige Kinn. „Das ist aber nicht zufällig der Typ, mit dem du ...“
„Nein“, unterbrach ihn Hendrik sofort lachend. „Leandro ist viel jünger. Sogar ein bisschen jünger, als ich. Der Typ auf dem Bild ist reine Fantasie.“
Hannes nickte verstehend und seufzte verstohlen.
„Wenn man so aussehen würde, bekäme man bestimmt jede Frau rum“, nuschelte er derart undeutlich, dass Hendrik einen Moment brauchte, um den Sinn seiner Worte zu verstehen.
Betroffen sah er seinen Bruder an. Klar, darüber machte Hannes sich Sorgen. Nicht ganz zu unrecht.
„Niemand sieht in Wahrheit so aus“, erklärte Hendrik überzeugt. „Solche geschniegelten Modeltypen gibt es in der Realität kaum und wenn, haben sie ganz bestimmt nichts in der Birne. Ein paar Mädchen stehen eh mehr auf Typen, die … Ahnung von was haben, die Grips im Kopf haben.“
Hoffte er zumindest. Er wollte seinem Bruder ja nicht gleich jede Hoffnung nehmen. Andererseits würde dieser, so wie er gerade herumlief nie eine abbekommen.
„Du solltest vielleicht mal ein wenig mehr rausgehen“, wagte Hendrik sich vorsichtig vor. „Vielleicht mal ein paar davon kennenlernen? Es gibt echt nette Mädchen.“
Hannes grunzte, wandte den Kopf nur ein winziges bisschen.
„Die gucken mich doch nicht mal an“, brummte er. „Bin viel zu fett und sie finden mich hässlich.“
„Du bist nicht fett … nur ein bisschen zu dick“, erklärte Hendrik diplomatisch und stieß seinen Bruder leicht an. „Dagegen kann man was tun, weißt du?“ Er zögerte, leckte sich einmal über die Lippen und schlug vor: „Wir könnten ja mal zusammen joggen gehen. Alleine ist das eh immer ziemlich langweilig. Macht bestimmt mehr Spaß, wenn du mitkommst.“
Hannes maß ihn mit einem langen Blick und sein mürrischer Ausdruck wurde weicher. Bedächtig nickte er und wandte ein: „Ich habe aber gar keine Joggingsachen.“
Hendrik lachte los.
„Na dann gehen wir eben vorher ins Einkaufscenter und besorgen dir welche. Du könntest eh ein bisschen was besseres, als diesen Schlabber-Ekellook vertragen, den du jetzt trägst“, erklärte er schmunzelnd.
Hannes zuckte zusammen, nickte jedoch erstaunlicherweise.
„Okay“, brummte er nur, zögerte einen Moment und fragte: „Wann?“
Hendrik war sprachlos. Und freute sich.
Schau an, vielleicht konnte er seinem Bruder ein wenig helfen. Wenn schon in seinem eigenen Leben gerade alles schief lief, konnte er wenigstens Hannes helfen, dessen Leben wieder geradezubiegen.
„Montag? Gleich nach der Schule?“, schlug er vor.
Sein Bruder nickte sogleich und lächelte. „Okay, ich hole dich einfach ab, ja? Wir können dann ja auch deine
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