Kay Scarpetta 16: Scarpetta
bemerken, dass die Außenbeleuchtung nicht brennt. Haben Sie sie vorhin ausgeschaltet?«
»Ich habe den Lichtschalter nicht angerührt«, entgegnete der Mann, der inzwischen nervös klang. »Woher soll ich wissen, dass Sie wirklich von der Polizei sind?«
»Lassen Sie es mich mal versuchen«, sagte Berger und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage rechts neben der Tür. Marino leuchtete mit der Taschenlampe, denn es war wirklich stockfinster.
»Dr. Wilson? Ich bin Jaime Berger von der Staatsanwaltschaft. Wir müssen nach Ihrer Nachbarin sehen. Aber das können wir nur, wenn Sie uns ins Haus lassen.«
»Nein«, meldete sich die Stimme. »Wenn Sie ein paar richtige Streifenwagen herholen, kann ich es mir ja noch mal überlegen.«
»Damit haben Sie es wahrscheinlich noch schlimmer gemacht«, sagte Marino zu Berger. »Ich garantiere Ihnen, dass er da drin Gras geraucht hat. Deshalb hat er auch das dämliche Fenster geöffnet.«
Lucy saß in Marinos Auto. Grelle rote und blaue blinkende Lichter spiegelten sich im Glas.
»Das beeindruckt mich gar nicht.« Inzwischen klang die Stimme noch störrischer. »Diese Dinger kann jeder kaufen.« »Ich rede noch mal mit ihm«, schlug Berger vor und hielt sich wegen des blendenden, rotierenden Blaulichts schützend die Hand vor Augen.
»Ich sag Ihnen jetzt was, Mr. Wilson«, zischte Marino in die Gegensprechanlage. »Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, die Sie anrufen sollen. Wenn die Zentrale sich meldet, erklären Sie, dass vor Ihrem Haus ein Kerl steht, der angeblich Detective P. R. Marino ist, einverstanden? Lassen Sie es sich bestätigen, denn die Zentrale weiß, dass ich mit Staatsanwältin Jaime Berger hier warte.«
Schweigen. »Er wird nicht anrufen«, meinte Berger. Lucy kam die Stufen hinaufgelaufen.
» Kannst du mir noch einen Gefallen tun, während ich mir hier die Beine in den Bauch stehe?«, fragte Marino.
Er bat sie, zurück zum Wagen zu gehen und die Zentrale anzurufen, worauf sie erwiderte, was denn aus seinem Funkgerät geworden sei oder ob die Polizei die Dinger abgeschafft hätte. Er antwortete, er habe es im Auto vergessen. Sie könne es ihm ja mitbringen, nachdem sie bei der Zentrale Verstärkung in Form eines Streifenwagens, Einbruchswerkzeugs und eines Rammbocks angefordert hätte. Lucy meinte, eine alte Tür wie diese ließe sich mit einem Stemmeisen öffnen. Doch Marino antwortete, das sei ihm zu wenig. Dieser elende Wicht von einem bekifften Doktor solle ruhig einen Turbo- Rammbock zu sehen bekommen, wie man sie zum Aufbrechen der Türen von Crack-Häusern verwendete. Dann würden sie ihn vermutlich gar nicht benutzen müssen, weil das Arschloch sie sofort hereinlassen würde. Außerdem solle Lucy auch einen Krankenwagen rufen, für den Fall, dass Eva Peebles ärztliche Hilfe brauchte.
Mrs. Peebles ging weder ans Telefon noch an die Gegensprechanlage. Marino konnte nicht feststellen, ob in ihrer Wohnung Licht brannte. Das Fenster, vor dem der Computer stand, war dunkel.
Er hatte Lucy weder den Funkcode noch weitere Anweisungen geben müssen, denn sie wusste alles, was ein Cop wissen musste. Als er nun zusah, wie sie in sein Auto stieg, fühlte er sich an alte Zeiten erinnert. An damals, als sie noch zusammen Motorrad gefahren und zum Schießen gegangen waren, als sie gemeinsam ermittelt und sich zur Entspannung ein kühles Bier genehmigt hatten. Er fragte sich, was für eine Waffe sie wohl bei sich trug.
Dass sie bewaffnet war, stand für ihn fest, denn Lucy wäre niemals, nicht einmal in New York, ohne Waffe aus dem Haus gegangen. Außerdem erkannte er eine Pistol-Pete-Jacke auf den ersten Blick und hatte sofort bemerkt, dass sie eine anhatte, als sie aus dem Taxi gestiegen war, während er und der Officer den verpackten Stuhl zum Transporter schleppten. Die scheinbar ganz gewöhnliche Motorradjacke aus schwarzem Leder war mit einer abnehmbaren Außentasche ausgestattet, die groß genug für eine Pistole jeden Fabrikats war.
Vielleicht war es ja die Glock Kaliber 040 mit Lasersichtgerät, die er ihr vor einem Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, als sie beide noch in Charleston lebten. Das hätte wieder einmal bewiesen, was für ein Pechvogel er war. Als er sich aus ihrem Leben geschlichen hatte, hatte er nämlich keine Gelegenheit mehr gehabt, die Waffe auf sie umzumelden. Wenn sie also jemanden mit dem verdammten Ding um nietete, würde der Verdacht deshalb sofort auf ihn fallen. Gleichzeitig sagte
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