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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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benutzt hatte. Deshalb ist sie auch geholt worden.”
    Sein ganzes Gesicht wurde zu Stein. Nicht Eis, Eis war kälter und dünner. “Nicht –”
    “Ich muss. Ich muss dich fragen. Falls ich dir je etwas bedeutet habe –”
    Seine Finger berührten ihre ungezeichnete Wange.
    “Es hat mich fast umgebracht”, flüsterte sie und gab endlich zu, was sie früher nur unter Androhung von Gewalt zugegeben hatte. “Was du getan hast. Was in dieser Nacht geschehen ist. Es hat mich umgebracht. Vielleicht musstest du es tun – vielleicht hast du die Stadt gerettet. Tiamaris glaubt das, auch wenn er es nie laut gesagt hat. Und mir – ist es egal.
    Rette sie. Denk an Catti. Bitte.”
    Sie hätte noch mehr gesagt, aber ihre Arme fingen auf einmal an zu
brennen
. Sie konnte nicht anders, als aufzuschreien, und sie blieb nur stehen, weil Severn dort war, vor ihr, und sein Gesicht ihr ganzes Blickfeld ausfüllte.
    “Sie fangen an”, flüsterte sie, als jeder der Bogen und Schnörkel auf ihren Armen anfing, mit einem geheimen Feuer über ihre Haut zu kriechen.
    Sie biss sich auf die Lippen, riss sich zusammen, und fing an zu rennen.
    Sie konnte nicht sagen, wohin, aber warum – warum war ganz klar. In der Kolonie Nightshade hatten die Mörder angefangen, ihre Zeichen in Catti zu brennen.

15. KAPITEL
    S ie ließ Severn schnell hinter sich. Ganze Jahre ihres Lebens waren davon bestimmt gewesen, dass sie nicht einmal
mithalten
konnte. Sie hörte ihn fluchen, aber er rief ihr nicht nach und bat sie auch nicht, langsamer zu werden.
    Die Bewegung kühlte ihre Arme. Verborgen unter einer Lage Stoff und Leder wurde das Feuer durch die Bewegung gedämpft, aber sie fühlte sich dadurch nicht besser – sie wusste, wenn es wieder anfing, dann an ihren Beinen, und sie konnte es sich nicht leisten, zu stolpern oder langsamer zu werden. Catti blieb dazu nicht die Zeit.
    Halt durch
, dachte sie. Keine Verzweiflung in ihren Worten, nur ein Befehl. Oder ein Gebet. Oder eine Mischung aus beidem. Kaylin hatte, wie die meisten Koloniegeborenen, keine feste Religion. Die Götter waren wie das Wetter. Manchmal gut, manchmal schlecht, und immer unvorhersehbar.
    Die Leute, denen sie begegneten, sprangen ihr aus dem Weg. Auch Severn wichen sie aus – oder vielleicht Tiamaris. Der Drache hielt Schritt, ohne auch nur außer Atem zu geraten. Sie war sich allerdings sicher, dass sie mindestens zwei Mal gehört hatte, wie Steine sprangen. Die Straßen waren in einem anderen Zeitalter befestigt gewesen, und er trug höchstens die Struktur ab, die noch übrig blieb. Es war, als wäre er so darauf konzentriert, zu rennen, und nur zu rennen, dass er sich nicht darauf konzentrieren konnte, leichte Schritte vorzutäuschen.
    Zu einer anderen Zeit hätte sie das überrascht. Oder zu Tode geängstigt. Aber sie hatte gerade genug in der Grundausbildung zum Falken – der einen Sache, in der sie verdammt gut gewesen war – gelernt, um immer zu merken, was um sie herum geschah. Nur blieben ihr keine Reserven, darauf zu reagieren. Catti, dachte sie.
Catti
.
    Und etwas in ihr hörte eine Antwort.
    Es war kein Wort. Und es war kein Schrei – dafür war es nicht stark genug. Sie hatte Catti nie wimmern gehört; der kleine Rotschopf, der so störrisch schubste und so schief sang, war immer ein zu starkes Kind gewesen.
    Aber sie
war
ein Kind. Und sie war nicht in den Kolonien zu Hause.
    Wir kommen, Catti. Wir kommen und bringen dich nach Hause. Halt durch. Warte auf mich.
    Sie sendete die Worte aus, aber sie waren nicht gesprochen, eher wie Fasern, hell und luftig, und wie die blassesten Sterne nur aus dem Augenwinkel klar zu erkennen. Sie konnte nicht sehen, wohin sie zogen, aber das machte nichts, sie wusste es auch so.
    Sie eilte um eine Ecke, hasste das Gebäude, das ihr im Weg stand und sie zwang, ihren Weg zu ändern – spürte, wie etwas in den Kerben dieses plötzlichen Hasses auftauchte. Macht. Wenn sie die Zeit gehabt hätte und die Armschiene, hätte sie sie angelegt – aber das hätte Catti umgebracht. Stattdessen versuchte sie, die Gründe zu vergessen, wegen denen sie das verdammte Ding überhaupt bekommen hatte. Sie rannte durch das Aufwallen der Magie hindurch und ignorierte es. Betete, auch wenn das keinen Zweck hatte.
    Hier half ihr der Schmerz, der so plötzlich und heftig über sie kam, der sie überraschte, auch wenn sie ihn erwartet hatte. Es war, als hätte man ihren ganzen Körper geohrfeigt, und es war eine grausame Erinnerung an das, was zu

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