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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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dessen Mitte noch nicht sichtbar war. Die Ränder begannen sich zu zersetzen, die Buchstaben dort lösten sich zu einem langsamen, brennenden Regen auf.
    Der Boden sah nicht anders aus, und genau dort wehrte sie sich und träumte von Flucht. Fürchtete sich vor dem Fall.
    Severns Griff war stärker. Sie konnte sich fast von den Lichtern lösen, um in sein Gesicht zu sehen, das Netz aus Narben, die Linien, die dort von Waffen geschnitzt worden waren, Linien, die nicht das Alter gezeichnet hatte. Seine Augen waren dunkel und geschmälert. Er sah wie ein Jäger aus. Sieben Jahre hatten sie beide auf eine Art verändert, die keiner von ihnen hatte voraussehen können, als sie noch Kinder in den Kolonien gewesen waren.
    Sieben Jahre.
    Und er war ihr wirklich gefolgt, wie sie es befürchtet hatte, nur letztendlich nicht aus den Gründen, an die sie halb geglaubt hatte. Er hatte sie beobachtet wie ein Wolf seine Beute. Er hatte ihr Zeit und Raum gegeben, sich zu verstecken, sich selbst Geschichten und Lügen zu erzählen. Waren ihre Wunden in dieser Zeit geheilt?
    Jade.
    Steffi.
    Sie bewegte sich. Einen Schritt nach dem anderen zog sie Männer hinter sich her, die größer und stärker waren als sie selbst. Die Muster auf dem Boden leuchteten ihr den Weg, und als sie an ihnen vorbeiging, löschte sie ihr Licht aus. Vielleicht sog sie es in sich auf. Ihr Blick war nicht klar, sondern verhängt von einer Art Leuchten, und sie konnte ihre Hände nicht heben, um ihre Augen zu erlösen.
    “Kaylin Neya”, sagte Lord Nightshade, seine Lippen so nah an ihrem Ohr, dass er ihre Haare mit seinem Atem bewegte. In ihrem Namen lag ein Befehl, den sie befolgt hätte, wenn sie ihn verstanden hätte. Sie hatte sich immer schon vor dem Koloniallord gefürchtet. Aber sie hatte ihn nie gekannt. Auch jetzt kannte sie ihn nicht.
    Aus der Mitte des Bodens brachen Lichtstrahlen hervor. Der Boden selbst schien sich zu neigen und zur Mitte hin immer weiter abzufallen. Das Siegel war immer noch dort, aber sie konnte es nicht mehr sehen, Feuer hatte seine Ränder verschlungen und die Steinkanten abgeschliffen. Sie drehte sich blind zu Severn um und schrie: “Meine Hand, nimm meine Hand!”
    Die Wärme seiner Hand verließ ihren Oberarm und zerquetschte ihre Finger. Er sagte ihren Namen, noch einmal, doch diesmal war es ein anderer Name, andere Silben. Nur diese eine Sekunde lang konnte sie ihn deutlich sehen.
    Lord Nightshade veränderte seinen Griff auf gleiche Art, ohne Worte zu brauchen. Sie schwankte zwischen ihnen, ihr ganzer Oberkörper neigte sich nach vorn und weiter nach vorn, in einer langen, gefährlichen Verbeugung, die ewig anzudauern schien.
    So fühlte sich Fallen an.
    Und das Feuer wartete darauf, sie zu fangen und zu verschlingen.
    Es brannte.
    Aber was brannte? Nicht Stoff. Nicht Fleisch. Worte vielleicht. Alle Worte, die sie hatte. Und während sie sie verlor, vereinigten sich die Flammen, und was vorher neblig und unbestimmt war, war jetzt hell, deutlich – mehr, als sie es sich selbst je gewesen war. Ein Mann stand vor ihr, in lebendige, lodernde Flammen gekleidet, größer noch als Lord Nightshade. Größer als jeder Mann, dem sie je begegnet war, außer in ihren Träumen. Seine Haut leuchtete, seine Arme brannten. Seine Augen waren blauer als die Flammen, als sie sich öffneten und sie ansahen. Hände, die eine Spur aus Flammen hinter sich herzogen, streckten sich nach ihr aus, wollten sie berühren. Ihre Arme. Ihre Schenkel.
    Sie konnte ihre eigenen Hände nicht spüren, auch wenn sie seine wie aus der Entfernung erkennen konnte. Der Schmerz allerdings war echt. Das war er immer.
    Sie biss sich auf die Lippen, schmeckte Blut.
    Der Mann sprach einen Namen, und auch wenn sie ihn noch nie gehört hatte, war es ihr eigener. Sie sah auf und noch weiter hinauf. Dort war kein Stein mehr, kein Himmel, nur das Gefühl von nichts, das sich in die Ewigkeit erstreckte. Zum vielleicht ersten Mal dachte sie über die Nachteile von Unsterblichkeit nach.
    “Kaylin.”
    “Elianne.”
    Weit entfernte Worte. Der Mann starrte sie an, und sie starrte zurück. Sie versuchte, sich zu erinnern, wie man sprach.
    Er runzelte die Stirn, das konnte sie deutlich erkennen. “Auserwählt”, sagte er schließlich, auch wenn die drei Silben gebrochen und gedehnt waren, als würde er sie in einer ganz anderen Sprache sprechen, in der sie eine andere Bedeutung, ein anderes Gewicht hatten. “Die Pforten öffnen sich. Du bringst Schatten mit dir.”
    Sie

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