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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Denen war es egal, dass sie den Ton nicht traf.
    Je älter Catti wurde, desto weniger hatte sie gesungen. Sie war befangener geworden, weil sie nicht
gut
sang. Kaylin hatte diese Reife als Segen empfunden, aber mit der Zeit hatte sie es auch bedauert. Andererseits hatte Kaylin selbst eine Stimme, die nur ein Frosch mögen konnte. Das hatte sie immer gewusst. Und in den Kolonien? Gab es kaum Anlass zum Singen.
    Severn hatte eine schöne Stimme.
    Schon, aber sie würde hier nicht über Severn nachdenken. Hier auf keinen Fall.
    Catti. Denk an Catti.
    Catti, wie sie geht. Rennt. Das Treppengeländer hinunterrutscht – eine Mutprobe. Catti, wie sie plappert. Denk an das erste Mal, als du sie getroffen hast: Kaylins erster Besuch in den Findelhallen.
    Clint hatte ihr das Gebäude auf einer seiner Bodenpatrouillen gezeigt. Sie hatte ihn bitten müssen, sich sehr langsam zu wiederholen, damit sie sich sicher sein konnte, dass sie ihn richtig verstanden hatte. Ein ganzes riesiges Gebäude, nur für elternlose Kinder? Sie hatte Clint gefragt, wer für sie bezahlte. Hatte ihn gefragt, was mit ihnen passierte, wenn sie die Findelhallen verlassen hatten.
    Er war so geduldig, wie man es mit Neulingen eben war. Er beantwortete ihre Fragen, als würde er sie nicht für verrückt halten. Er beantwortete sie wieder und wieder, denn für den Rest der Patrouille fragte sie ihn nichts anderes mehr.
    Aber am Ende der Patrouille? Hatte er sie ans bewachte Tor gebracht. Sie hatte es merkwürdig gefunden, dass diese sichere Zufluchtsstätte bewacht werden musste, aber Clint kannte die Wache, und Amos hatte den Falken mit einer barschen Freundlichkeit begrüßt, die zu keinem Gefängniswärter, den sie kannte, passen würde.
    Später hatte Clint ihr erklärt, dass Amos der
einzige
Wachposten war. Aber nicht sofort. Er hatte sie durch das Tor gebracht, und den Weg hinauf. Hatte sie die Treppe hinaufgeschoben, weil ihre Füße mit jedem Schritt schwerer zu werden schienen. Und er hatte sie Marrin vorgestellt, der Leontinerin, die gerade Dienst hatte.
    Dienst war ein Wort, das mit der Zeit an Bedeutung verloren hatte. Marrin war nicht die einzige Erwachsene, die in den Findelhallen arbeitete, aber sie hatte die Verantwortung – und sie war als Einzige nicht menschlich. Die Falken konnten sich über Rekruten aus jeder Rasse freuen, die Findelhallen, die nicht viel Lohn zahlen konnten, hatten nicht so viel Glück, sie hatten nur Marrin. Aber Kaylin, obwohl sie so neu bei den Falken war, hatte schon Marcus kennengelernt. Sie war höflich und zeigte Respekt, wenn sie mit Leontinern sprach.
    Marrin hatte das damals lustig gefunden.
    “Entschuldige die Störung, Marrin”, hatte Clint gesagt, “aber Kaylin konnte die ganze Schicht lang von nichts anderem mehr reden, und du kannst besser mit Kindern umgehen als – Autsch!”
    “Offensichtlich”, hatte Marrin in ihrem trockenen leontinischen Schnurren gesagt. Sie war amüsiert.
    “Knöchelbeißer”, hatte Clint geschnauft.
    “Kaylin ist … ein Falke?”
    “Ein neuer Falke. Irgendwie.”
    “Ich
bin
ein Falke.”
    “Na dann”, hatte Marrin gesagt, Kaylin an der Schulter gefasst und sie sanft in die Haupthallen geführt, “ich bin mir sicher, die Kinder werden sich freuen, dich kennenzulernen, Kaylin. Wenigstens drei von ihnen sind entschlossen, die Treppen der Gesetzeshallen zu erklimmen, sobald wir sie von der Leine lassen. Die arme Stadt”, fügte sie mit einem angedeuteten Lachen hinzu. “Dass du ein Falke bist, in deinem Alter, wird ihnen Hoffnung geben. Komm, ich stelle dich meinen Kindern vor.”
    Misstrauisch und verwirrt hatte Kaylin sich mitziehen lassen, während Clint wartete.
    Marrin mochte nicht leichtsinnig genug sein, um Kaylin als Kind zu bezeichnen, aber sie war Mutter genug, um sie nicht allein nach Hause gehen zu lassen. Clint hatte sich gesträubt, aber nur wenig. Sie konnte ihn noch genau vor sich sehen: allein, die grauen Flügel auf dem Rücken gefaltet, die Arme vor der Brust verschränkt. Er trug den Übermantel der Falken – und das Schwert, das sie selbst nicht an der Hüfte mit sich schleifen konnte, ohne seine Scheide aufzureiben – und leichte Rüstung. Er trug die Standardstiefel, die schon viele Jahre hinter sich hatten. Sie wuchs aus ihren heraus, ehe sie so aussehen konnten – und dem Quartiermeister hatte das überhaupt nicht gefallen. Er schien sich darüber zu ärgern, dass sie aus ihnen herausgewachsen war, ehe sie Löcher bekommen konnten. Das

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