Kein Alibi: Roman (German Edition)
»haarsträubend«, »lächerlich« und Ähnliches zurück.
Als die Nachrichtensprecherin ohne Pause zum nächsten Beitrag überging, schaltete Hammond das Gerät aus, ging nach oben und ließ sich ein heißes Bad ein, in das er bis zum Hals eintauchte. Nur sein rechter Arm hing über den Wannenrand. Das Bad vertrieb zwar ein wenig den Wundschmerz, aber danach fühlte er sich benommen und matt.
Er brauchte dringend etwas zu essen, deshalb ging er hinunter und begann, sich Rühreier zu machen.
Da er nur mit der Linken arbeiten konnte, ging alles sehr zäh. Außerdem behinderte ihn eine ungute Vorahnung. Er hatte keine Lust, als Held schlüpfriger Witze erinnert zu werden. Er wollte nicht, dass es hieß: »Ach, wisst ihr noch, Hammond Cross. Ein viel versprechender junger Staatsanwalt. Dann hat er ’ne Möse gerochen, und schon war alles beim Teufel.«
Und genau das würden sie sagen. Oder Ähnliches.
Kollegen und Bekannte würden im Umkleideraum, zwischen
nassen Handtüchern und verschwitzten Socken, oder bei einem Glas Bourbon in einem beliebten Szenelokal die Köpfe schütteln und kaum verhehlen, wie sehr sie sich über seine Hinfälligkeit amüsierten. Ihn würde man für einen Narren halten und Alex für die Schlampe, die seinen Sturz herbeigeführt hatte.
Am liebsten wäre er auf diese Klatschmäuler aus seiner Phantasie losgegangen und hätte sie für ihre unfairen Bemerkungen über sie und ihre gemeinsame Beziehung fertig gemacht. Es war ganz anders, als sie es sich dachten. Er hatte sich verliebt. Er wusste noch genau, was er ihr letzte Nacht gesagt hatte, so sehr hatten ihn die Schmerztabletten nicht betäubt. Dass er es ehrlich meine und dass es von Anfang an so gewesen sei. Erst vor knapp einer Woche war er ihr begegnet – vor knapp einer Woche –, und doch hatte er in seinem ganzen Leben noch nie etwas so sicher gewusst. Noch nie zuvor hatte ihn eine Frau körperlich so angezogen. Noch nie hatte er sich zu einem anderen Menschen geistig, seelisch und emotional so hingezogen gefühlt. Stundenlang hatten sie miteinander geredet, zuerst auf diesem albernen Jahrmarkt und später dann in seinem Bett in der Hütte. Über Musik, Essen, Bücher, Reisen und über die Orte, die sie besuchen wollten, falls es die Zeit erlaubte. Über Filme, Fitnesspläne, den alten Süden, den neuen, die Witze der drei Stooges und warum Männer sie lieben, während Frauen sie hassen. Über wichtige und unwichtige Dinge. Endlose Gespräche über alles und jedes, nur nicht über sich selbst.
Er hatte ihr nichts Wesentliches über sich erzählt. Sie hatte gewiss nichts von ihrem Leben preisgegeben, weder aus dem gegenwärtigen noch aus der Vergangenheit.
War sie eine Hure gewesen? War sie’s noch immer? Wenn ja, konnte er seine Liebe zu ihr so schnell unterdrücken, wie sie aufgeflammt war? Er befürchtete, dass er dazu nicht fähig war. Vielleicht war er doch ein Narr.
Aber Närrischsein war keine Entschuldigung für Unrecht. Allmählich kamen er und sein schlechtes Gewissen nicht mehr miteinander klar. Er fand es zunehmend schwieriger, mit sich auszukommen. Obwohl er es hasste, seinem Vater auch nur das
geringste Verdienst anzurechnen, musste er gestehen, dass ihm Preston heute die Augen geöffnet und ihn zu einer Auseinandersetzung gezwungen hatte, um die er sich bisher gedrückt hatte: Hammond Cross war genauso korrumpierbar wie jeder andere Mensch auch. Er war nicht ehrenwerter als sein Vater. Da ihm diese Erkenntnis genauso schwer im Magen lag wie die Rühreier, übergab er sich in den Abfalleimer.
Er wollte etwas trinken, aber Alkohol hätte nur die Benommenheit in seinem Kopf verstärkt, und anschließend hätte er sich noch mieser gefühlt.
Er wünschte, sein Arm würde aufhören, so verflucht heftig zu pochen.
Er wünschte sich eine Lösung für dieses gottverdammte Durcheinander, das die strahlende Zukunft bedrohte, die er für sich entworfen hatte.
Am meisten aber wünschte er sich, dass Alex in Sicherheit wäre. Abgeschottet. Im Tresor.
Ein Tresor .
Ein Tresor voller Bargeld in Alex’ Haus.
Ein leerer Tresor in Pettijohns Hotelsuite. Ein Tresor im Wandschrank.
Der Wandschrank. Der Tresor. Kleiderbügel. Bademantel. Hausschuhe. Immer noch in Zellophan gewickelt.
Hammond zuckte zusammen, als ob er einen Elektroschock bekommen hätte, ehe er wieder stocksteif erstarrte und sich zur Ruhe zwang, zu gründlichem, klarem Nachdenken.
Mach langsam. Lass dir Zeit.
Aber auch nachdem er mehrere Minuten lang
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