Kein Alibi: Roman (German Edition)
persönliche Begegnung mit ihm würde einen tieferen Eindruck hinterlassen.«
»Was geschah, als du dort warst?«
»Er war zuvorkommend und hörte mir höflich zu, als ich die Situation erklärte.« Sie setzte sich auf die Kante des Ohrensessels und strich sich über die Stirn.
»Und?«
»Und dann hat er mich ausgelacht«, sagte sie zitternd. »Eigentlich hätte ich schon an der Tür merken müssen, dass etwas nicht stimmte. Er war nicht überrascht, mich zu sehen, obwohl er doch Bobby erwarten musste. Aber das wurde mir erst später klar.«
»Er wusste, dass du kamst und nicht Bobby, und hat über deine Geschichte gelacht.«
»Ja«, sagte sie verzweifelt. »Bobby hat ihn kurz vorher angerufen und Pettijohn gesagt, dass ich komme. Außerdem hat er ihm erklärt, ich sei seine Partnerin und würde ein doppeltes Spiel treiben. Er warnte ihn, ich würde vermutlich eine rührselige Geschichte erfinden, die garantiert sein Mitgefühl weckt. Anschließend würde ich ihn ins Bett locken und mir dadurch eine Gelegenheit verschaffen, ihn um eine noch höhere Summe zu erpressen als die von Bobby geforderte.«
»Das hätte ich diesem Mistkerl gar nicht zugetraut«, stieß Hammond wütend hervor. »So schlau sieht Trimble nicht aus.«
»Schlau ist er nicht«, sagte Alex, »nur gerissen. Bobby besitzt mehr Unverschämtheit als Verstand, und das macht ihn gefährlich. Sobald er eine Gelegenheit wittert, riskiert er Dinge, die kein intelligenter Mensch auch nur andenken würde. Außerdem kennt er den Vorteil des Erstschlags.
Keines meiner Worte überzeugte Pettijohn davon, dass ich nicht an einem hinterhältigen Megaplan mit Sex und Erpressung beteiligt war. Er schlug vor, ich solle mir die Gelegenheit nicht
entgehen lassen. Da wir ja nun schon mal da seien und ich es mir in den Kopf gesetzt hätte, mit ihm ins Bett zu gehen… Ihr versteht schon.«
»Er ist über dich hergefallen?«, mutmaßte Frank.
»Selbstverständlich habe ich mich gewehrt und ihn weggestoßen. Ich bin sicher, dass dabei die Nelke auf seinen Ärmel geraten ist. Damit habe ich am Morgen die Orangen gespickt. Ein Stückchen davon muss noch auf meiner Hand gewesen sein. Jedenfalls habe ich ihn abgewiesen. Daraufhin wurde er wütend und fing an, mir seinerseits zu drohen. Insbesondere, weil er sich mit einem Mitglied der Bezirksstaatsanwaltschaft treffen wollte. Hammond Cross.« Sie warf ihm einen Blick zu. »Er meinte, du würdest dich zweifelsohne für Bobbys und meinen Betrug interessieren.«
Nach einem Moment fuhr sie fort: »Da bin ich in Panik geraten. Ich sah schon mein sorgsam wieder aufgebautes Leben auseinander fallen. Die Ladds, die so hohe Stücke auf mich gehalten haben, entehrt. Meine Glaubwürdigkeit angezweifelt, meine Studien wertlos. Patienten, deren Vertrauen ich gewonnen hatte, würden sich betrogen vorkommen.
Also bin ich weggelaufen. Im Aufzug fing ich unkontrollierbar zu zittern an. Als ich auf Höhe der Halle war, bin ich auf der Suche nach einem Platz zum Hinsetzen in die Bar gegangen. Meine Knie drohten, jeden Moment einzuknicken.
Aber als meine Panik abflaute, wurde mir klar, wie irrational diese Reaktion gewesen war. Binnen Sekunden war ich in das Stadium zurückgefallen, in dem Bobby mein Leben kontrolliert hat. Da in der Bar kam ich wieder zur Besinnung. Meine Jugendsünde lag Jahrzehnte zurück. Ich bin ein angesehenes Mitglied meiner Stadt und beruflich anerkannt. Wovor hatte ich Angst? Ich hatte nichts Schlechtes getan. Sollte es mir gelingen, die richtige Person davon zu überzeugen, dass mich mein Halbbruder wieder einmal ausbeuten wollte, könnte ich es möglicherweise schaffen, ihn für immer loszuwerden. Und wer wäre glaubwürdiger als –«
»Hammond Cross, Bezirksstaatsanwalt in spe.«
»Korrekt.« Sie nickte Frank zu. »Also bin ich wieder zu der
Suite im fünften Stock zurück. Als ich dort ankam, stand die Tür einen Spalt offen. Ich legte mein Ohr daran, konnte aber niemanden reden hören. Ich drückte die Türe auf und schaute hinein. Pettijohn lag mit dem Gesicht nach unten neben dem Couchtisch.«
»Wusstest du, ob er tot war?«
»War er nicht«, sagte sie. Ihre Bemerkung ließ beide Männer zusammenfahren. »Eigentlich wollte ich ihn nicht anfassen, tat es dann aber doch. Er hatte noch Puls, war aber bewusstlos. Angesichts der Erpressungsversuche meines kriminellen Ex-Partners wollte ich neben ihm in diesem Zustand nicht erwischt werden. Also bin ich wieder nach unten gerannt, dieses Mal über die
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