Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Alibi: Roman (German Edition)

Kein Alibi: Roman (German Edition)

Titel: Kein Alibi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
vorstellte und er ihrem Mann in die Augen schauen, ihm die Hand schütteln, über Belangloses plaudern und so tun müsste, als ob er die Frau an seiner Seite nicht aus intimster Nähe kannte?
    Aus vielen Gründen hoffte er, nie in eine solche Situation zu geraten, und wenn doch, dass er sie mit einem vernünftigen Maß an Gelassenheit meistern würde. Hoffentlich benähme er sich nicht wie ein Trottel. Hoffentlich brächte er es fertig, ihr den Rücken zuzukehren und wegzugehen.
    Er war unsicher, ob er das fertig brächte.
    Normalerweise entschied sich Hammond angesichts eines moralischen Dilemmas für die richtige Seite. Abgesehen von den normalen Kinderstreichen, dem üblichen Schulblödsinn und ein paar Ausrutschern auf dem College benahm er sich mustergültig.
Er hielt sich an die Regeln, egal, ob er nun mit einem Übermaß an Tugend geschlagen war oder lediglich feige.
    Das war nicht immer einfach gewesen. Im Grunde genommen war dieser unbeirrbare Instinkt für richtig und falsch der springende Punkt bei der Mehrzahl seiner Auseinandersetzungen mit Freunden und Kollegen gewesen, ja sogar bei seinen Eltern. Sein Vater und er folgten nicht denselben Verhaltensregeln. Preston Cross hätte dieses Dilemma wegen einer Frau lediglich amüsant gefunden.
    Während Hammond in den Wohnkomplex einbog, in dem er lebte, fragte er sich, was passiert wäre, wenn er gestern Nacht ein paar Augenblicke früher hereingekommen wäre und gehört hätte, wie sie sagte: »Schatz, es ist schon spät, deshalb habe ich beschlossen, bei meiner Freundin (hier gehörte irgendein weiblicher Name hin) zu übernachten. Aber nur, wenn’s dir nichts ausmacht. Ich hielt es für gefährlich, so spät allein heimzufahren. Na schön, dann bis morgen früh. Ich liebe dich auch.«
    Als das automatische Tor aufging, lenkte Hammond seinen Wagen in die enge Garage. Nachdem er den Motor abgeschaltet hatte, saß er noch ein paar Augenblicke im Auto und starrte Löcher in die Luft. Hätte er diesen ganz besonderen Moraltest bestanden oder nicht?
    Schließlich stieg er verärgert aus, weil er sich zu derart sinnlosen Spekulationen hinreißen ließ, und betrat durch die Verbindungstür zwischen Garage und Küche sein Stadthaus. Aus Gewohnheit wollte er schon zum Telefon gehen, um seinen Anrufbeantworter abzuhören, aber dann unterdrückte er bei nochmaligem Nachdenken diesen Impuls. Garantiert war wenigstens eine Nachricht von seinem Vater darauf. Er war nicht in der Stimmung, die gestrige Konfrontation wieder aufzuwärmen. Eigentlich wollte er mit niemandem reden.
    Vielleicht sollte er noch einen kurzen Segeltörn machen. Bis zur Dämmerung blieben ihm noch ein paar Stunden. Das Sechzehnfußboot, ein Geschenk seiner Eltern zum bestandenen Anwaltsexamen, lag auf der anderen Straßenseite im Jachthafen vor Anker. Aus diesem Grund hatte er damals eine Wohnung in diesem
Komplex gekauft. Bis zum Jachthafen waren es nur ein paar Schritte.
    Heute war ein perfekter Tag zum Segeln. Vielleicht könnte er dabei den Kopf auslüften.
    Rasch ging er durch die Küche in die Diele, vorbei am Wohnzimmer, und wollte gerade auf die Treppe zusteuern, als er hörte, wie ein Schlüssel ins Haustürschloss gesteckt wurde. Er hatte kaum noch Zeit zum Umdrehen, da spazierte auch schon Steffi Mundell mit einem Handy am Ohr herein.
    Sie sagte: »Ich kann nicht glauben, dass die sich wie störrische Esel benehmen.« Während sie mit Schlüsseln, Handy, Aktentasche und Handtasche jonglierte, winkte sie ihm ein Hallo zu. »Ich meine, eine Lebensmittelvergiftung ist kein Knochenmarkkrebs … Na schön, halt mich auf dem Laufenden… Ich weiß, dass ich nicht dabei sein muss, aber ich will. Du hast meine Handynummer, ja?… Okay, tschü-ü.« Sie schaltete das Telefon aus und musterte Hammond entnervt. »Wo, zum Teufel, bist du gewesen?«
    »Wie wär’s erst mal mit einem Hallo?«
    Seine Kollegin war rund um die Uhr im Einsatz. Ständig schleppte sie in einer überdimensionalen Aktentasche ein Miniaturbüro herum. Bei ihrem Eintritt in die Bezirksstaatsanwaltschaft von Charleston hatte sie sich Polizeifunk ins Auto einbauen lassen, dem sie lauschte, wie andere Autofahrer Musik oder Nachrichten hörten. Unter den übrigen Anwälten und Polizeibeamten kursierte ein Standardwitz: Steffi sei unter den Vertretern der Anklage das Pendant zu einem Verteidiger, der jedem Krankenwagen hinterherhetzt.
    Sie ließ ihr Sammelsurium auf einen Sessel fallen, stieg aus ihren hochhackigen Schuhen, zog

Weitere Kostenlose Bücher