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Kein Alibi: Roman (German Edition)

Kein Alibi: Roman (German Edition)

Titel: Kein Alibi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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hatte. Ihr Treffen war geplant gewesen. Der Rest des Abends hatte darauf abgezielt, ihn und/oder die Staatsanwaltschaft entweder in Verlegenheit zu bringen oder zur Gänze bloßzustellen.
    Das wahre Ausmaß blieb abzuwarten. Aber selbst der kleinste Fleck könnte für seine junge Karriere fatal sein. Noch der leiseste Skandal würde zum Stolperstein. Ein Skandal dieser Größenordnung würde seine Hoffnung auf die Nachfolge von Monroe Mason
ganz gewiss schwer beeinträchtigen, wenn nicht gar vernichten. Damit wäre er als führender Gesetzeshüter im Bezirk Charleston erledigt.
    Er lehnte sich über seinen Schreibtisch und vergrub erneut das Gesicht in den Händen. Zu schön, um wahr zu sein. Ein triviales und doch treffendes Sprichwort. Während des Jurastudiums hatte er sich mit seinen Freunden in einer Bar namens Niunede getroffen, eine Abkürzung für »Nichts ist umsonst, nicht einmal das Essen«. Der Traumabend mit der aufregendsten Frau seines Lebens hatte nicht nur Haken. Vermutlich würde man ihn letztlich an einem dieser Haken aufhängen.
    Mit weit offenen Augen war er in die älteste Falle der Menschheit getappt. Sex war eine bewährte Methode, um einen Mann zu kompromittieren, die sich schon unzählige Male im Laufe der Geschichte als verlässliches und wirksames Mittel zum rechten Zeitpunkt erwiesen hatte. Nie hätte er sich für so leichtgläubig gehalten, aber offensichtlich war er es.
    Leichtgläubigkeit war verzeihlich, Justizbehinderung nicht.
    Warum hatte er nicht sofort vor Smilow und Steffi zugegeben, dass er die Frau auf dem Phantombild kannte?
    Weil sie eventuell völlig unschuldig war. Dieser Daniels könnte sich irren. Sollte er Alex Ladd tatsächlich im Hotel gesehen haben, wäre der Zeitpunkt das eigentlich Entscheidende. Hammond wusste fast auf die Minute genau, wann sie im Pavillon aufgetaucht war. Angesichts der Entfernung, die sie hätte zurücklegen müssen, und in Anbetracht des Verkehrsstaus hätte sie es nicht geschafft, wenn sie das Hotel später als… rasch rechnete er nach… sagen wir mal fünf Uhr dreißig verlassen hätte. Sollte der Pathologe die Todeszeit auf irgendwann danach festlegen, konnte sie nicht die Mörderin sein.
    Gutes Argument, Hammond. Im Nachhinein. Ein hinreißend vernünftiger Gesichtspunkt.
    Aber eine Tatsache blieb: Es war ihm nie in den Sinn gekommen, Alex Ladd zu identifizieren.
    Seit jenem winzigen Augenblick, an dem er mit Herzrasen die Zeichnung angeschaut und mit absoluter Sicherheit gewusst
hatte, wer die besagte Person war, hatte er ebenso sicher gewusst, dass er ihren Namen nicht preisgäbe.
    Beim Anblick dieses Gesichts auf dem Skizzenblock, so wie er es auf seinem Kopfkissen aus nächster Nähe gesehen hatte, gab es kein Abwägen seiner Möglichkeiten mehr, kein bewusstes Nachdenken über die Vor- und Nachteile seines Schweigens. Sein Geheimnis war ein für alle Mal versiegelt. Er würde ihre Identität schützen, zumindest momentan. Damit hatte er wissentlich jedes moralische Gesetz gebrochen, das er als Anwalt vertrat. Sein Schweigen war eine bewusste Verletzung jenes Gesetzes, auf das er als Hüter vereidigt worden war, ein vorsätzlicher Versuch, die Ermittlung in einem Mordfall zu behindern. Das volle Ausmaß der Konsequenzen, die sich möglicherweise daraus für ihn ergaben, konnte er nicht einmal erahnen.
    Trotzdem lehnte er es ab, sie Smilow und Steffi auszuhändigen. Es klopfte laut an seine Bürotür, unmittelbar danach sprang sie auf. Er wollte schon die Sekretärin tadeln, weil sie ihn trotz seines ausdrücklichen Wunsches störte, aber die barschen Worte fielen nie.
    »Guten Morgen, Hammond.«
    Scheiße. Das ist das Letzte, was ich brauche.
    Wie immer unterzog sich Hammond in Gegenwart seines Vaters einer Prozedur, die an die Inspektion vor einem Flug erinnerte. Wie sah er aus? Befanden sich alle Systeme und Einzelteile im Optimalzustand? Gab es irgendwelche Fehler, die sofort korrigiert werden mussten? Genügte er den Anforderungen? Hoffentlich nähme ihn sein Vater heute Morgen nicht allzu genau unter die Lupe.
    »Hallo, Dad.« Er stand auf. Ganz formell schüttelten sie einander über dem Schreibtisch die Hände. Sollte ihn sein Vater je umarmt haben, war Hammond zu jung gewesen, um sich noch daran zu erinnern.
    Er packte seine Anzugjacke und hängte sie an einen Wandhaken, stellte seine Aktentasche auf den Boden und bat seinen Vater, auf dem einzigen freien Sessel in dem voll gestopften Zimmer Platz zu nehmen.
    Preston Cross

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