Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
der U-Bahn es gesagt hatte, und konnte es so gerade noch vor zwölf Uhr schaffen.
Mit Toni an der Seite marschierte sie mit Riesenschritten durch den Prospect Park. Am liebsten wäre sie gerannt, nicht allein wegen ihres Wettlaufs gegen die Zeit. Es war traumhaft hier! Rechts lag der botanische Garten. Im Sommer oder sogar das ganze Jahr über würde sie hier picknicken können - wenn sie erst ihre eigene Wohnung direkt um die Ecke hatte.
Toni schloss sich ihrer Begeisterung an. »Die Stadt, die niemals schläft!«, rief er, fasste Christy um die Taille und wirbelte sie herum.
»Lass mich runter, wir haben’s eilig!«, kicherte sie. »Uns bleiben nur noch fünfzehn Minuten!« Sie liebte es, diesen Stadtteil zu spüren - die Sehenswürdigkeiten, die Geräusche -, alles brachte glückliche Erinnerungen zurück.
»In diesen See ist meine große Schwester gefallen, als sie sechs war«, keuchte sie und zeigte auf die ausgedehnte
spiegelglatte Wasserfläche zu ihrer Linken. »Sie wollte ein Entenküken fangen.«
Sie dachte an Annette, die Christys Sehnsucht, hierher zurückzukehren, nie verstanden hatte. Annie war bei der erstbesten Gelegenheit auf und davon, und um die ganze Welt gereist. Als hätte jede von ihnen ihren eigenen Weg gesucht, auf das Trauma zu reagieren, vom Vater verlassen worden zu sein. Christy sehnte sich nach einem Heim nah bei ihren Wurzeln. Annette dagegen war durch die Welt gezogen und hatte an den abgelegensten Orten nach Geborgenheit gesucht. Sie war der unentschlossene kleine Vogel, der rastlos herumflatterte. Christy hatte immer das Gefühl gehabt, dass Annie festbinden zu wollen, ebenso sinnlos war wie der Versuch, Rauch zu bändigen.
Umso kurioser war es, dass ausgerechnet Annie vorübergehend wieder bei ihrer Mutter wohnte. Seit einer Weile hatte Annie einen festen Job und - ob man’s glaubte oder nicht -, Annie wollte heiraten und sesshaft werden. Nicht dass Christy glaubte, Annie werde nach der Hochzeit lange am selben Fleck bleiben. Vielmehr würde sie bald wieder losziehen, es würde Tränen geben, Umarmungen und das Versprechen zu schreiben. Als müsste Annie so weit wie möglich wegfahren, um ihrer Schwester und ihrer Mutter zu zeigen, wie sehr sie die beiden liebte.
So war Annie nun einmal. Ihre Unorganisiertheit trieb einen zur Raserei. Und doch liebte Christy ihre Schwester.
Aber während der nächsten zehn Minuten ging es ganz allein um ihre Zukunft! Annie und ihre Dramen mussten warten, bis Christy das hier unter Dach und Fach hatte -
die wichtigste Mission ihres Lebens. Toni grinste sie an. Nach ihrem Powerwalk durch den Park hatte er einen feinen Schweißfilm über den Brauen.
»Brooklyn!«, rief er. »How sweet it is!«
Christy kicherte. »Woher kennst du Brooklyns Werbeslogan?«
Toni sah sie an, als hätte er nicht die blasseste Ahnung, wovon sie sprach.
»Ach, ist nicht so wichtig. Weißt du, Toni, vor zwei Jahren hätte ich fast eine Wohnung hier gekauft, zusammen mit einem Typen.« Ihr war klar, dass Toni vermutlich nur Bahnhof verstand, aber sie redete dennoch weiter.
»Mein Ex - Duncan.«
Toni wirkte verwirrt. »Duncan? Donuts?«
Christy lachte. »Nein. Nicht Dunkin’ Doughnuts. Komm schon, schneller!«
Er schien sich darüber zu freuen, dass er sie zum Lachen gebracht hatte, und beschleunigte gehorsam das Tempo.
»Allerdings«, fuhr sie fort, »hatte er was von einem Donut. Wie haben damals lange gespart - nein, falsch: Ich habe gespart. Und dann fanden wir dieses echt süße Apartment. Duncan musste nicht mehr tun, als den Brief mit dem unterschriebenen Kaufvertrag abschicken. Aber das war zu viel für ihn. Du weißt schon, Toni, Briefe, Briefkasten - wie schwer kann das denn sein? Normalerweise habe ich solche Sachen erledigt. Aber ich wollte ihm die Chance geben, wenigstens einmal der Erwachsene zu sein! Ein paar Wochen später habe ich den Brief in
einem Stapel zwischen anderen Unterlagen gefunden. Er hatte ihn vergessen. Und das Apartment war mittlerweile futsch.«
Sie lächelte kopfschüttelnd. Dieses Mal passiert das nicht , dachte sie. Dieses Mal bekomme ich das Apartment meiner Träume - es gibt niemanden außer mir selbst, der es vermasseln könnte. Und Christy Davies vermasselte nie etwas. Als sie sich dem anderen Ende des Parks näherten, drückte Toni ermutigend ihre Schulter. Die Sonne blinzelte ihnen durch die Baumkronen zu. Auf den Wegen wimmelte es von Rollerbladern und Joggern. Je näher sie dem Tor kamen, desto lauter wurde der
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