Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
lächerlich gut aussehender Mann mit einem Designer-Hund im Arm. Christy kam sich fast vor wie ein Filmstar. Auch die leicht zu entziffernden Anweisungen des Navigationssystems auf dem Weg zur Klinik trugen dazu bei, dass sie
sich zunehmend entspannte. Der einzige Makel an diesem ansonsten perfekten Bild war der aus dem offenen Schiebedach ragende Teppich, dessen dünne Verpackung vom New Yorker Wind systematisch in Fetzen gerissen wurde.
In Christys Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Ihre Pläne wurden von der beunruhigenden Erkenntnis überschattet, dass es nur einen einzigen Weg gab, um ihre Termine einzuhalten: Sie musste Mrs Ledger ein kleines bisschen täuschen.
War das wirklich so schlimm? Mrs Ledger war eine nette, einsame alte Dame. Christy versuchte sich einzureden, dass es kein Verbrechen war, wenn sie sie etwas länger als nötig durch die Gegend kutschierte - solange sie die Lady sicher nach Hause brachte.
Natürlich würde Mrs Ledger nach der Tortur im Krankenhaus erschöpft sein, aber ein bisschen Gesellschaft tat ihr bestimmt gut. Die arme Frau lebte allein in ihrem luxuriösen Penthouse an der Fifth Avenue und hatte nur Silvia, ihre Teilzeit-Hausangestellte.
Es war natürlich weder ideal noch ehrlich, aber sie würde es durchziehen - das musste sein. Und damit alles klappte, war es von entscheidender Bedeutung, dass Mrs Ledger nach der Operation nichts sehen konnte.
»Toni?«, wandte sich Christy an ihren Freund und hielt den Wagen direkt vor der Klinik, wo praktischerweise ein Parkplatz frei war. »Ich brauche deine Hilfe. Kannst du bitte ganz, ganz genau zuhören?«
15.45 Uhr
Eine Viertelstunde später verließ Mrs Ledger mit einem dicken Verband um die Augen langsam und leicht gebeugt an Christys Arm die Klinik.
»Also«, sagte Christy. »Wir haben strahlenden Sonnenschein!«
»Ich nehme Sie beim Wort«, antwortete Mrs Ledger kläglich. »Ich sehe nämlich absolut nichts.«
Christy atmete erleichtert, wenn auch mit schlechtem Gewissen auf. Sie führte Mrs Ledger zu Toni, der ein Stück weiter weg wartete. Phase Eins ihres Plans lief an.
»Ich habe meinen neuen Assistenten mitgebracht, Mrs Ledger. Er heißt Toni.«
Sie nickte Toni zu. Der trat einen Schritt vor und ergriff behutsam die Hand der alten Dame.
»Mrs Ledger«, sagte er mit warmer, sanfter Stimme, »es ist mir ein Vergnügen, Ihnen heute behilflich zu sein.«
Christy hob zufrieden den Daumen, als er den Satz genauso aufsagte, wie sie es ihm eingetrichtert hatte. Als Antwort zwinkerte er ihr zu.
»Ihre Geschäfte müssen ja gut laufen, Christy. Ein Assistent? Freut mich, Sie kennenzulernen, Toni.«
»Vielen Dank«, antwortete Toni.
»Mrs Ledger, es gibt ein kleines Problem«, fuhr Christy fort. »Ich weiß nicht, was heute in der Stadt los ist, aber ich musste sechs Blocks weit weg parken. Glauben Sie, dass Sie es schaffen, ein Stück zu laufen, wenn Toni Sie stützt?«
»Sechs Blocks?«, wiederholte Mrs Ledger und blieb stehen.
»Ich weiß! Es muss Ausverkauf bei Bloomingdales sein oder etwas in der Art!«
»Na ja, nachdem ich so lange da drin eingesperrt gewesen bin, könnte ich ein bisschen Bewegung vertragen … und Sie versprechen, mich gut festzuhalten, Toni?«
Christy signalisierte Toni, dass es jetzt an der Zeit war für den zweiten Satz, den sie ihm beigebracht hatte.
»Keine Sorge, Mrs Ledger, ich werde auf Schritt und Tritt an Ihrer Seite sein!«
»Also, ich muss sagen, Sie klingen sehr charmant, junger Mann!« Mrs Ledger streckte die freie Hand aus und berührte Toni. »Und tolle Bauchmuskeln hat er auch noch!«
Christy staunte einmal mehr über die Wirkung, die Toni auf Frauen ausübte - selbst jene, die sein schönes Gesicht gar nicht sehen konnten.
»Ich laufe ein Stück voraus und versuche, Ihnen entgegenzukommen«, log Christy. »Bis gleich!«
Sie gab Toni das letzte Signal, und er nahm die winzige Mrs Ledger behutsam in seine Obhut. »Wollen wir weitergehen?«, fragte er, und gemeinsam bewegten sie sich im Schneckentempo voran. Ihr Weg würde sie fünfmal um denselben Block führen. Währenddessen sprang Christy wieder hinters Steuer des Wagens, der die ganze Zeit in der Nähe gestanden hatte, ermahnte die wütend kläffende Bouvier, still zu sein, und raste in Richtung Greenwich Village davon.
Als sie vor dem unsäglich auf modern getrimmten ehemaligen
Lagerhaus hielt, in dem die berühmten Axnick Photographic Studios untergebracht waren, sah sie den total aufgedrehten Hund mit ernster Miene
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