Kein Blick zurueck
murmelte Frank.
»Was ist?«
»Sie gibt’s ihnen. Hör zu. ›Ich gebe keinen Sch- auf Ehe, Scheidung, Gerichtsakten oder das Finden von Schlichtern«, erklärte Mrs. Upton Sinclair, die Ehefrau des Romanciers. »Der Kummer über das Scheidungsverfahren hat mich so erschöpft, dass ich beschlossen habe, mein Leben mit Harry Kemp so zu führen, wie es mir beliebt. Wir befinden uns hier in unserem Versteck in diesem unbedeutenden, kleinen Bungalow, abgeschirmt von der Außenwelt…‹« Frank blickte zu Mamah auf. »Mein Gott, haben denn all diese Schreiberlinge dieselbe Schule besucht?«
»Kein Mensch spricht so«, sagte Mamah. »Niemand sagt›Wir befinden uns hier in unserem Versteck in diesem unbedeutenden kleinen Bungalow.‹«
»Wusstest du das nicht? Alle Wahlverwandten sprechen so. Und sie wohnen alle in Bungalows. Die Chefredakteure wollen es so.«
»Ich finde, sie hat einen Fehler gemacht.«
»Mrs. Sinclair?«
»So aus der Deckung zu kommen und um sich zu schlagen. Ich kann es verstehen, aber es gibt einen angemesseneren Weg.« Mamah ging aus dem Zimmer, um die Notizen vom Vorabend zu holen. »Mach es, wie wir es verabredet haben, ja?«, sagte sie und reichte ihm das Blatt.
»Ich bin nicht gut im Aufsagen.« Er seufzte, aber als er ihren sorgenvollen Blick sah, brummte er: »In Ordnung, ich lese das verdammte Ding.«
Um zehn saßen sechs Reporter um das Kaminfeuer versammelt, von Zeitungen aus Chicago, Milwaukee, Madison und Spring Green. In Anbetracht der Tatsache, dass man von ihnen als Reportern eigentlich hätte erwarten können, dass sie heftig miteinander konkurrierten, benahmen sich die Männer wie alte Kumpel. Offenbar hatten sie schnell Kameradschaft geschlossen, wie Reisende, die an seltsamen Orten aufeinandertreffen. Frank bezog vor ihnen Stellung und stand in seinem langen, roten Hausmantel da, einen Arm auf den Kamin gelegt. Als Mamah den Raum betrat, drehten sich alle gleichzeitig nach ihr um und begannen, wie wild etwas in ihre Notizbücher zu kritzeln. Mamah setzte sich auf einen Stuhl, und Frank ergriff das Wort.
»Erstens, ich habe weder meine Kinder im Stich gelassen noch eine Frau verlassen, noch bin ich mit der Frau eines anderen durchgebrannt. An dieser Affäre wurde in keiner Hinsicht etwas verheimlicht. Ich habe versucht, ein wahrhaftiges Leben zu führen. Ich habe wahrhaftig gelebt.
Für mich gab es nie eine Mrs. E. H. Cheney. Für mich war sie immer Mamah Borthwick, eine separate und eigenständige Persönlichkeit, und nicht im Besitz irgendeines Mannes.«
Frank warf einen Blick zu Mamah hinüber, und sie nickte als Antwort. Er schien vollkommen Herr der Lage zu sein und sich beinahe zu freuen, vor Publikum zu stehen.
»Die Kinder, meine Kinder, sind ebenso gut versorgt wie früher. Ich liebe sie so sehr, wie ein Vater lieben kann, doch ich schätze, ich war ihnen kein guter Vater.
Gewiss, ich betrachte es als Tragödie, dass die Dinge sich so entwickelt haben, wie sie es getan haben, doch auch wenn es wieder so weit käme, könnte ich nicht anders handeln. Mrs. Wright hat sich Kinder gewünscht, sie liebt die Kinder und versteht sie. Sie sind ihr Leben. Sie spielt mit ihnen und freut sich an ihnen. Doch… ich habe mein Leben in meiner Arbeit gefunden.«
Frank legte seine Notizen auf den Kamin. »Sehen Sie, ich begann damit, in der Architektur gewisse Ideen zum Ausdruck zu bringen. Ich wollte etwas Organisches schaffen – etwas Gesundes und Wohltuendes. Im Geiste Amerikas und nach Möglichkeit schön. Ich denke, das ist mir gelungen. In gewisser Weise sind meine Häuser meine Kinder.«
Mamah zuckte zusammen. Sie wusste, was er meinte, doch die Zeitungsleser würden es nicht wissen, dessen war sie sich sicher. Und wie würden seine Kinder sich fühlen, wenn sie das lasen? Sie räusperte sich. Frank warf ihr einen kurzen Blick zu und fuhr dann fort.
»Wenn ich meinen Wunsch, mein Leben zu leben, wie ich meine Häuser baue – von innen nach außen –, hätte beiseiteschieben können, wenn ich mich selbst hätte davon überzeugen können, dass die Opfer, die andere ihnen bringen, den Menschen tatsächlich zugutekommen… wenn ich michselbst hätte belügen können, dann hätte ich vielleicht bleiben können.«
Der Reporter des Journal hakte nach. »Wie können Sie es rechtfertigen, die Familie zu verlassen, wenn Sie Kinder haben?«
Frank blieb gelassen. »Ich denke, ohne eine eigensinnige Ichbezogenheit können wir dem gesellschaftlichen Fortschritt nicht
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