Kein Blick zurueck
auch zu der Aussicht auf den sommerlichen Besuch ihrer Kinder zurückgekehrt, der in wenigen Wochen stattfinden würde, und zu ihrem kleinen, langsam wachsenden Freundeskreis.
Es gab einiges zu tun, falls sie sich entschied, mit ihrer Arbeit weiterzumachen. Der Essay Die Frauenbewegung wartete auf sie. Während ihres Japanaufenthaltes hatte sie nichts für Ellen übersetzt. Tatsächlich war sie bei ihrer Abreise aus den Vereinigten Staaten sehr über Ellen entsetzt gewesen. Sie und Frank hatten sich darauf vorbereitet, Anfang Januar nach Kalifornien zu reisen, wo ihr Schiff nach Japan in See stechen würde. Als die Mitteilung sie erreichte, dass die Brüder Spaulding Frank noch vor seiner Abreise zu sehenwünschten, wurde rasch eine Fahrt an die Ostküste arrangiert. Den größten Teil dieser Woche verbrachten sie in Boston, doch auf Mamahs Bitte hin fuhren Frank und sie nach New York, um Mr. Hübsch aufzusuchen, den Mann, der die unautorisierte Übersetzung von Liebe und Ethik veröffentlichen würde. Es war der prinzipielle Aspekt dieser Sache, der Mamah dazu bewog, diesen Konflikt wenn möglich beizulegen, doch es gab auch eine praktische Seite. Das Publikum für Liebe und Ethik war so klein, dass auf dem Markt nicht genügend Platz war für zwei Übersetzungen. Hübschs Version war beinahe mit Sicherheit der Grund für den schleppenden Verkauf ihrer eigenen Übersetzung. Frank hatte sie dazu ermuntert, ihm gegenüberzutreten.
Was für eine Enttäuschung es gewesen war, Hübsch ausfindig zu machen, um dann zu sehen, wie dieser Mann, den Mamah so dämonisiert hatte, einen Scheck Ellen Keys aus dem Hut zauberte, der bewies, dass sie ihn nicht nur mit dieser Übersetzung beauftragt, sondern ihn sogar dafür bezahlt hatte.
Nun machte es keinen Sinn mehr, so zu tun, als ob. Ellen hatte sie schlicht angelogen. Doch noch mehr aus der Fassung brachte sie beim Abschied eine Bemerkung von Hübschs katzbuckelndem Assistenten. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Miss Borthwick«, sagte der asketisch wirkende Mann, der seine Hose bis unter die Achselhöhlen hochgezogen trug, »doch ich habe bei Putnam’s einen Kontakt, der sagt, Ellen Key ziehe unsere Übersetzungen ihrer Werke allen anderen vor. In Putnams Londoner Büro denkt man genauso.«
»Sie elender Wurm«, hatte Frank ihn angefahren und praktisch geschäumt. »Sie nichtswürdiger – «
»Komm, wir gehen«, sagte Mamah und zog ihn mit sich zum Ausgang des Büros.
Sie hatten den nächsten Zug nach Hause genommen, rasch neu gepackt und waren am nächsten Morgen nach Kalifornien aufgebrochen. Besorgt nahm sie Hübschs Übersetzung von Liebe und Ethik und ihre eigene mit auf die Reise nach Westen. Wie sich herausstellte, hatte sie alle Zeit, sie zu studieren, da sie ihr Schiff nach Japan verpassten und zwei zusätzliche Wochen in Kalifornien verbringen mussten. Während der Wartezeit verglichen sie und Frank die beiden Übersetzungen Zeile für Zeile. An einigen Stellen musste sie zugeben, dass Hübschs Version der ihren überlegen war, doch an anderen Stellen hatte sie das Gefühl, ihn auszustechen. Schließlich ließ Mamah beide Übersetzungen auf dem Schreibtisch ihres Hotelzimmers zurück und ging an Bord des Schiffes in der vollen Absicht, sechs Monate nicht an Ellen Key zu denken.
Und beinahe hätte sie es geschafft. Jeden Tag auf dem Schiff kümmerte sie sich hingebungsvoll darum, Frank von seiner schrecklichen Seekrankheit abzulenken. Sobald er in Tokyo wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war er jedoch vollauf damit beschäftigt, sich zum einen mit verschiedenen Regierungsvertretern zu treffen und zum anderen in jeder freien Minute Jagd auf Holzschnitte zu machen.
Frank hatte einen bemerkenswerten Mann zum Führer, Shugio Hiromichi, ein Geschäftsmann und ehemaliger Oxford-Student mit ausgezeichneten Manieren und Verbindungen in alle Ebenen der japanischen Gesellschaft, vom hochgestellten Regierungsbeamten bis zum einfachen Handwerker. Nach einer Weile unterließ es Mamah, ihn bei seiner Suche nach Holzschnitten ins Händlerviertel zu begleiten, insbesondere nachts. Ihr wurde unbehaglich zumute, wenn sie Franks glasigen Blick sah, mit dem er innehielt, um sich vor dem Betreten eines Nieder-Gangs auf der Treppe noch einmal kurz mit Shugio abzusprechen, während sein Herzbereits raste wie das eines Wolfs vor dem Hühnerpferch. Ohnehin wurden diese Transaktionen durch Mamahs Anwesenheit nur verkompliziert. Sie war eine Frau, aus dem Westen und
Weitere Kostenlose Bücher