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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Teller.
    Frank zog seine Socken aus. »Nun, was ist in der amerikanischen Architektur während meiner Abwesenheit alles vorgefallen, meine Herren?«, fragte er. »Erzählen Sie mir, dass eine Palastrevolution stattgefunden hat.«
    Mamah hörte nur halb zu, als Namen genannt und Gebäude beschrieben wurden. Der Tag gehörte zu den schönsten, die sie in Wisconsin je erlebt hatte. Über den flachen Hügeln jagten die Wolken dahin und ließen das Sonnenlicht auf dem grünen Grasland flackern wie in einem Film. Sie legte sich auf die Seite und schloss die Augen und nahm von der Unterhaltung eher ein Summen als ihren Inhalt wahr. Ihr fiel auf, wie ehrerbietig Emil und Taylor das Wort an Frank richteten, wie sie über seine Geschichten lachten. Sie musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er glücklich war. So hatte er es sich in Italien vorgestellt, als er davon gesprochenhatte, junge Architekten auszubilden. Keine Klassenzimmer, lediglich sein Zeichenbrett. Und Picknicks. Er hatte vergessen, Picknicks hinzuzufügen.
    In Japan war er eines Abends in düstere Nachdenklichkeit darüber verfallen, dass einige seiner Angestellten ihn verraten hätten. In einem Wutanfall hatte er verkündet, nie wieder einen Konstruktionszeichner zu beschäftigen, der schon früher für ihn gearbeitet hatte. Von nun an würde er nur noch Deutsche und Österreicher einstellen, junge Leute, die sich mit dem Lehrlingsdasein zurechtfanden. Und dennoch gab es Taylor, die Ausnahme, die seine Regel bestätigte, wie sie annahm. Und Emil Brodelle, einen Jungen aus Milwaukee, dessen Hintergrund, vermutete sie, weder deutsch noch österreichisch war.
    Doch sie waren Publikum genug. Bald hörte man nur noch Franks Stimme, die sich ohne Unterlass über die Architektur in Europa, Japan und Amerika ausließ. Ihr wurde bewusst, dass Frank, wann immer einer der beiden anderen ein paar Worte einschob, kaum darauf einging. Er lachte auch nicht über ihre Scherze. Er hörte nur mit halbem Ohr zu und schien stattdessen seine nächste witzige Bemerkung vorzubereiten.
    Als Frank einmal innehielt, nutzte Emil die Gelegenheit. »Was halten Sie davon, dass Walter Griffin die Ausschreibung für den Bau Canberras gewonnen hat? Ich habe gehört, er und Marion Mahoney seien bereits nach Australien gezogen. Das ist doch großartig, oder nicht? Die Hauptstadt eines ganzes Landes zu entwerfen?«
    Mamah schlug die Augen auf und begegnete Taylors Blick. Frank wusste, dass Marion Walter Griffin geheiratet hatte. Sie sah zu Frank hinüber, doch er zeigte mit keiner Regung, dass er die Frage gehört hatte. Er bestrich eine Brotscheibe mit Butter.
    Emil fühlte sich in diesem Schweigen unbehaglich. »Sie haben beide einmal für Sie gearbeitet, nicht wahr?«
    Frank kaute gedankenverloren sein Brot. »Griffin war kurze Zeit Student bei mir; seither saugt er mich aus. Und was sie anbelangt, war sie eher Illustratorin als Architektin.«
    Mamah zuckte zusammen. Die Klage über Griffin war ein alter Hut. Doch es schmerzte sie, zu hören, dass Frank Marion nicht Gerechtigkeit widerfahren ließ. Tatsächlich hatte sie am MIT ihren Abschluss als Architektin gemacht. Sie hatte in seinem Büro in Oak Park beinahe von Anfang an mit Frank zusammengearbeitet. Tatsächlich war es damals in erster Linie Marions Präsentationszeichnung gewesen, die Mamah und Edwin davon überzeugt hatte, Frank den Auftrag zu erteilen.
    »Frank«, sagte sie sanft, »also wirklich, Frank. Du weißt, sie war deine rechte Hand. Marion ist mit Leib und Seele Architektin.«
    Frank sah auf den Fluss hinaus. Er stand auf und nahm seine Angelrute. »Wer fängt den ersten, Jungs?«
    Die Männer stellten sich ans Flussufer und ließen ihre Haken ins Wasser sinken. Nach zehn, fünfzehn Minuten hörte man Jubel und Gratulationen. Frank hatte einen Fisch gefangen.
    Als sie wieder zu Hause waren, ging Mamah in die Küche, wo Frank am Tresen stand und den Löffelstör ausnahm, den er gefangen hatte. Als sie neben ihn trat, hielt er bei seiner Arbeit inne. Er verharrte in der Bewegung, und das scharfe Messer hing wie erstarrt über dem nassen Fischleib in der Luft, während sie instinktiv einen Schritt zurückwich. Dann senkte er die Schneide wieder in das fette Fischfleisch und brachte seine Aufgabe zu Ende.
    Mamah war durcheinander. Offenbar war er wütend auf sie.Sie nahm an, dass er verärgert war, weil sie ihm vor den Zeichnern widersprochen hatte. Doch es war nicht das erste Mal, dass er ihre Nähe nicht zu ertragen

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