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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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schien. Manchmal streifte sie beim Abendessen unter dem Tisch mit dem Fuß gegen seinen, und er machte dann großes Aufhebens daraus, seinen Fuß zurückzuziehen und seine Position zu verändern, um sich ihr anzupassen, als wollte er sagen: Sitzt du bald bequem?
    Er schien Räume und Gegenstände mit der Sensibilität einer Fledermaus wahrzunehmen. Sie erinnerte sich an etliche Abende, an denen er sich zum Abendessen hingesetzt und umgehend sein Besteck beiseitegeschoben hatte. Es war eine Gewohnheit, die Mamah als grob empfand, als beinahe verächtlich, da sie den Tisch erst Minuten zuvor gedeckt hatte.
    »Warum tust du das?«, fragte sie ihn einmal.
    »Was?«
    »Dein Besteck beiseiteschieben, als wärst du wütend.«
    »Ich hasse Unordnung.«
    »Besteck ist Unordnung?«, fragte sie.
    »Bis ich so weit bin, es zu benutzen, ja.«
    In jener Nacht jedoch, als sie wie Löffel nebeneinanderlagen und die Haut seiner Brust warm an ihrem Rücken lag, entschied sie, dass sie sein Verhalten falsch gedeutet hatte. Er hatte am Nachmittag einfach Bewegungsfreiheit gebraucht. Noch eine Eigenart, an die ich mich gewöhnen muss, die es aber nicht wert ist, etwas ändern zu wollen, dachte sie. Genauso gut könnte ich versuchen, seine Augenfarbe zu verändern oder die Form seiner Nase.
Kapitel 44
    Als Mamah morgens aus dem Haus trat, waren Darby und Joan bereits angespannt. Frank musste ihren Mann für alles, Tom Brunker, darum gebeten haben, bevor er weggefahren war, denn der Wagen stand abfahrbereit da.
    »Es könnte regnen«, sagte Tom zu Mamah und fuhr einem der Füchse mit der Hand über die Flanke. »Wollen Sie lange wegbleiben?«
    »Ein paar Stunden. Ich möchte die Wildblumen in diesem Jahr nicht verpassen. Ich habe gehört, drüben im Wald, bei der Paulson-Farm, gebe es einen guten Standort.«
    Mamah nahm die Zügel und lenkte die Pferde die Einfahrt hinunter auf die Straße. Auf dem Land kam dem Aufblühen der Wildblumen ein ähnlicher Stellenwert zu wie einer Theaterpremiere in der Stadt. Es erinnerte sie an einen Tag vor etlichen Jahren, als Mattie sie überredet hatte, mit dem Zug über die Schweizer Trasse aus Boulder hinauszufahren. Sie und die Kinder waren mit dicken Blumensträußen zurückgekommen.
    Sie entdeckte die rosafarbenen Kreuzblümchen, als sie auf den Wald zufuhr. Mamah kletterte vom Kutschbock, sie setzte ihre Schritte sehr vorsichtig und bückte sich, um die flügelartigen Blätter und die zarten Blümchen zu studieren, die durch einen Teppich aus welkem Laub sprießten, der im Laufe des Winters zu einem hellen Beigeton verblasst war. Sie wollte keine pflücken; sie waren zu vollkommen dort, wo sie standen. Sie setzte sich auf einen Grasfleck und dachte an Mattie. Was würde sie davon halten, wie die Dinge sich jetzt entwickelt hatten?
    Vor einem Jahr hatte Mamah an Alden geschrieben, um sich nach seinem und dem Befinden der Kinder zu erkundigen. Sie hatte keine Antwort von ihm erhalten. Als schließlicheine Antwort kam, stammte sie von Matties Bruder Lincoln, der die Kinder nun in Iowa großzog. Alden arbeitet in einer Mine in Kolumbien, hatte er ihr geschrieben. In Südamerika. Alden hatte getan, was so viele verwitwete Männer taten – hatte die Kinder Verwandten übergeben, in deren Haushalt eine körperlich belastbare Frau lebte. Wäre Mattie von ihrem Mann sehr enttäuscht gewesen? Noch lange nach ihrem Tod hatte Mamah in Gedanken Matties Stimme gehört, die ihr Urteil sprach. Plötzlich, inmitten all dieser Blumen, fiel ihr auf, dass sie sie schon seit langer Zeit nicht mehr gehört hatte.
    Auf der Heimfahrt ließ Mamah sich Zeit. Frank und Taylor waren mit dem Zug nach Chicago gefahren, wo Taylor umsteigen und einen Zug zurück nach Salt Lake nehmen würde. »Sie haben Ihre Villa bekommen«, sagte er, als er sie zum Abschied umarmte. Sie empfand eine plötzliche Traurigkeit, als er davonfuhr.
    Sie hatte keinerlei Verpflichtungen, mit Ausnahme eines kurzen Treffens am Abend mit zwei Frauen aus der örtlichen Kirchengemeinde, mit denen sie verabredet hatte, dass sie zu ihr kommen würden. Mamah hatte sich über Dorothea erboten, den schwedischen und deutschen Hausmädchen aus der Umgebung Englischunterricht zu erteilen. Zu ihrem Erstaunen hatten sie dem Vorschlag zugestimmt.
    Als sie die Kutsche durch das Wagenportal steuerte, fiel Mamahs Blick auf einen Lieferwagen, der hinter dem Haus geparkt hatte. Er glich dem, der im Jahr zuvor die Pflanzen geliefert hatte, und ihr erster Gedanke war, dass

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