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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Gesicht verbarg, und war zu Fuß die Treppe in das tiefer liegende Stockwerk hinuntergegangen. Während sie wartend im Treppenhaus stand, konnte sie irgendwo einen Möchtegern-Paderewski ein Klavierkonzert hämmern hören. Aus einem anderen Raum drang eine Lehrerinnenstimme, die zum dumpfen Aufprall von Ballettschuhen Positionen ansagte.
    Ihr Herz klopfte heftig, als sie schließlich in den zehnten Stock zurückkehrte. Als sie die Sicherheit des Büros erreicht hatte, schloss Frank die Tür ab und ließ vor den Fenstern die Jalousien herab. Sie nahmen den Faden ihres Beinahe-Zusammenlebens wieder auf, indem sie sich in dem abgedunkelten Zimmer füreinander öffneten.
    Sie wünschten sich, in die Welt hinauszutreten, sie gemeinsam zu erleben. Im Frühsommer, einer Zeit, in der sie besonders vorsichtig waren, verabredeten sie sich und besuchten auf getrennten Wegen ein Groschenkino in der Innenstadt, wo gerade ein Tom-Mix-Film gezeigt wurde. Sie saß zwei Reihen vor Frank und konnte während des ganzen Films sein spontanes tiefes Lachen hören, was sie ihrerseits zu Lachsalven anstiftete. Frank verließ das Kino vor ihr. Der Plan lautete, dass sie bis zur Ecke gehen sollte, damit er sie dort abholen konnte. Als sie auf die Straße trat, fiel ihr Blick auf einen fliegenden Händler, der unmittelbar vor dem Kino eine Anzahl Cowboyhüte feilbot. Sie blieb stehen und entschied sich impulsiv für einen breitkrempigen, hellbraunen Hut.
    »Das ist unser B . O . P. -Stetson, Ma’am«, sagte der Mann. »Der allerbeste. Bedeutet ›Boss of the Plains‹.«
    Sie lachte. »Perfekt.«
    »Er ist ein bisschen teurer«, warnte sie der Verkäufer. »Kostet sie zwölf Dollar.«
    »Ich nehme ihn.« Sie drückte ihm das Geld in die Hand. Wenige Augenblicke später tauchte Frank mit seinem gelben Wagen auf und konnte seine Freude kaum verhehlen. Er setzte den Hut auf und chauffierte sie in den Norden der Stadt, zu einem winzigen, deutschen Restaurant. Was für einen Anblick er bot in einem Staubmantel, der bis zu den Absätzen seiner hohen Stiefel reichte, und dem Stetson über der Schutzbrille.
    Als sie in ihrer Nische saßen, wollte er jede einzelne Filmszene noch einmal durchleben. Seine Jungenhaftigkeit amüsierte sie; den großen Hut hatte er neben sich gelegt und bog sich vor Lachen bei der Erinnerung an die Desperados, die vom Pferd fielen, als Tom Mix Jagd auf sie machte.
    Manchmal fuhren sie über Land, und der gelbe Wagen raste mit furchterregender Geschwindigkeit über die ausgefahrenen Straßen. Unterwegs hielten sie an irgendwelchen Ständen, die etwas zum Verkauf anboten – Erdbeeren, Melonen. Frank hatte eine Decke im Auto, die er ausbreitete, dann zog er die Schuhe aus und wackelte mit den Zehen. »Gott, fühlt sich das gut an«, sagte er jedes Mal, wenn er seine Socken auszog.
    Er liebte Whitman. Er legte sich auf den Bauch und las ihr Grashalme vor. Es gab aber auch lange Pausen, in denen sie einfach schweigend nebeneinandersaßen. Wir könnten summen, dachte sie, und einander doch vollkommen verstehen.
    Eines Tages wusch sich Frank nach dem Essen in einem Graben in der Nähe ihres Rastplatzes die Hände und holte dann eine Mappe mit japanischen Holzschnitten aus dem Wagen. Er legte die Drucke sorgfältig auf der Decke aus.
    »Diese hier sind von Hiroshige«, sagte er und deutete auf drei davon. »Bilder der schwebenden Welt.«
    Sie betrachtete einen Druck, der eine sich fächelnde Kurtisane zeigte. »Ich habe nie verstanden, was das eigentlich heißt – ›schwebende Welt‹.«
    »Es sind Bilder normaler Leute, die für diesen Moment leben – ins Theater gehen, sich lieben. Sie treiben dahin wie Blätter auf einem Fluss, ohne sich um Geld zu sorgen oder darüber, was der nächste Tag bringen wird.
    Ich habe sie in Japan gekauft«, sagte er und nahm zwei Landschaften aus der Mappe. Mamah erinnerte sich an Catherine Wrights Erzählungen von dieser Reise. Sie hatte geschildert, wie Frank jeden Abend, einen Strohhut auf dem Kopf, wie ein Einheimischer mit einem Übersetzer losgezogen und in den Seitengassen Kyotos verschwunden war, um Holzschnitte ausfindig zu machen.
    »Die Natur bedeutet für die Japaner alles«, sagte er. »Wenn sie ein Haus bauen, richten sie es nach dem Garten aus.« »Ich wusste, dass Japan dich beeinflusst hat«, sagte sie. »Mir war nur nicht klar, wie sehr.« Sie meinte zu sehen, wie er zusammenzuckte. »Dir gefällt das Wort ›beeinflusst‹ nicht, nicht wahr?«
    »Ich hasse es sogar. Die

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